Frankreichs Innenminister Claude Guéant:Sarkozys Tunnelgräber

Claude Guéant will die Wiederwahl Nicolas Sarkozys - er hat die Chance nach den Attentaten von Toulouse genutzt. Sofort ist er nach Südfrankreich gereist - seitdem hängt das Volk an seinen Lippen. Er kann über Terrorbekämpfung und innere Sicherheit reden, ohne den Waffenstillstand im Wahlkampf zu brechen. Bisher fiel er vor allem mit Sticheleien gegen Muslime auf.

Michael Kläsgen

Es war die Chance des Claude Guéant oder besser gesagt: die seines Präsidenten, der gut einen Monat vor der Wahl in Frankreich in Umfragen hinter dem sozialistischen Herausforderer zurücklag. Guéant, einer der Vordenker und Lenker von Nicolas Sarkozy, nutzte sie, eiskalt, klug und bestechend.

Frankreichs Innenminister Claude Guéant: Claude Guéant ist derzeit der wichtigste Wahlkampfhelfer für Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.

Claude Guéant ist derzeit der wichtigste Wahlkampfhelfer für Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.

(Foto: AP)

Sofort nach dem Anschlag in Toulouse reiste der Chefstratege an den Ort des Geschehens und schlug dort sein Kommunikationslager auf. Seither hängt Frankreich an seinen Lippen. Guéant, 67, gibt im Stundentakt Pressekonferenzen und Interviews und gibt immer neue Details preis über den mutmaßlichen Serienkiller und dessen trauriges Schicksal. So beendete er brüsk den Kandidatenzank im Wahlkampf. Das Geschehen dominieren jetzt Guéant und Sarkozy.

Der Innenminister hat dabei alle Argumente auf seiner Seite: Wer den Waffenstillstand im Wahlkampf bricht, gilt als pietätlos. Wer sich in dieser schweren Stunde der nationalen Einheit versagt, versündigt sich an der Republik. Guéant argumentiert zu Recht mit Werten wie Würde und Anstand. Ihm dabei Taktik zu unterstellen, wäre ein Angriff auf jene Werte. So degradierte er die anderen Wahlkämpfer vorübergehend zu Statisten.

Dabei ist klar, dass der Innenminister in erster Linie eines will: die Wiederwahl Sarkozys. Seine Entourage sieht bereits eine Trendwende. Guéant konnte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Die innere Sicherheit und die Terrorbekämpfung sind seine Themen.

Sarkozy machte ihn vor gut einem Jahr zum Innenminister, um den rechtspopulistischen Front National in Schach zu halten. Claude Guéant fiel seither mit wohlkalkulierten Provokationen auf. Er zündelte mit der Behauptung, dass nicht jede Kultur gleich viel wert sei. Zu seinem Repertoire gehörten auch gezielte Sticheleien gegen Muslime. In Schulkantinen könnte geschächtetes Halal-Fleisch Pflicht werden, wenn das Wahlrecht für Ausländer zu lax werde, warnte er. Den Militäreinsatz in Libyen bezeichnete er als "Kreuzzug". Guéant wirkt dabei nie ungehalten. Er tritt stets freundlich auf und spricht mit leiser Stimme, meist sehr gewählt.

An allen wichtigen Entscheidungen beteiligt

Seit zehn Jahren folgt er Sarkozy auf Schritt und Tritt. Lange führte Guéant ein Schattendasein, zunächst als Sarkozys Bürochef in verschiedenen Ministerien, dann 2007 als sein Wahlkampfleiter. Der Präsident belohnte ihn für seine Treue mit dem Posten des Generalsekretärs und persönlichen Beraters im Élysée-Palast. An allen wichtigen Entscheidungen war der Unbekannte im Hintergrund beteiligt. Nur äußerst selten aber äußerte er sich in der Öffentlichkeit. Im verschwörungsverliebten Frankreich machte ihn das zu einer geradezu mephistophelischen Gestalt. Guéant, der nie gewählte hohe Beamte, der ehemalige Präfekt und Absolvent der Kaderschmiede Ena, galt als "der mächtigste Mann Frankreichs", als "der Einflüsterer", "der Präsident Nr. 2" oder der "Vizepremier".

Sarkozy sagte selbst über ihn: "Ich bohre ein Loch, und er gräbt den Tunnel." Rückblickend, wetten manche schon, wird man bald vielleicht sagen, dass Guéant der Mann war, der Sarkozy die Schneise zum Sieg schlug.

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