Juppé zum Libyen-Krieg:"Niemand hat einen Blitzkrieg erwartet"

Die Nato hat Gaddafi unterschätzt - das hat der französische Außenminister nun nach fünf Monaten Krieg erstmals zugegeben. Er kündigt an, den militärischen Druck aufrechtzuerhalten. Die Rebellen planen eine Großoffensive gegen Tripolis und vermelden, dass ein Sohn Gaddafis bei einem Nato-Luftangriff getötet worden sei.

Die Alliierten im Libyenkonflikt haben nach Aussage von Frankreichs Außenminister Alain Juppé den Widerstand der Gaddafi-Streitkäfte unterschätzt. Dennoch könne man auch nach fünf Monaten Militäreinsatz nicht von einer festgefahrenen Offensive reden: "Niemand hat von einem Blitzkrieg gesprochen", sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender France 2.

A woman gestures near a picture of Libyan leader Muammar Gaddafi during a pro-government rally in Tripoli

Gaddafi-Anhänger demonstrieren in Tripolis: In einem Interview hat der französische Außenminister eingeräumt, möglicherweise Gaddafi unterschätzt zu haben.

(Foto: REUTERS)

Immerhin sei der Süden Libyens praktisch unter Kontrolle des Übergangsrates, und die Rebellenstreitkräfte rückten im Westen Richtung Tripolis vor. "Wir werden diesen militärischen Druck aufrecht erhalten", sagte Juppé. Zugleich bestritt der französische Außenminister Streitigkeiten innerhalb des libyschen Übergangsrates.

Die internationale Koalition unter Leitung der Nato werde ihren militärisch ausgeübten Druck fortsetzen, kündigte Juppé an. Noch im Mai hatte er erklärt, die Geduld seines Landes sei begrenzt und Paris nicht gewillt "länger als einige Monate" zu kämpfen.

Frankreichs Verteidigungsminister Gérard Longuet hatte zuvor angekündigt, Frankreich werde seinen Flugzeugträger Charles de Gaulle aus dem Libyen-Krieg abziehen. Das atomar angetriebene Schiff werde Mitte August zu Wartungsarbeiten in seinen Heimathafen Toulon an der Mittelmeerküste einlaufen. Der Flugzeugträger mit seiner 1900 Mann starken Besatzung beteiligt sich seit Ende März an dem internationalen Einsatz gegen Gaddafis Regime.

Der Abzug der Charles de Gaulle bedeute aber nicht, dass sich Frankreich aus dem Einsatz zurückziehen wolle, betonte Longuet. Zuletzt waren in Frankreich kritische Stimmen immer lauter geworden, die die hohen Kosten des Einsatzes von 1,2 Millionen Euro pro Tag beklagt hatten.

Am Vortag kündigten die libyschen Rebellen an, dass sie bis Ende des Ramadans Tripolis erreichen wollten, sie planten in den nächsten Tagen eine Großoffensive im Westen des Landes. Die Oppositionsstreitkräfte in den Nafusa-Bergen im Westen Libyens erhielten nun auch Unterstützung von Freiwilligen aus noch immer von Machthaber Muammar al Gaddafi kontrollierten Gebieten, erklärte Kommandeur Muktar al Achdar.

Derweil melden die Rebellen, dass bei einem Luftangriff der Nato ein Sohn von Gaddafi getötet worden sei. Bei einer nächtlichen Attacke auf eine Kommandozentrale in der westlibyschen Stadt Sliten seien Chamis Gaddafi sowie 32 weitere Menschen ums Leben gekommen, sagte ein Rebellensprecher in Bengasi der Nachrichtenagentur AFP. Er berief sich dabei auf Angaben von Spionen im Umfeld Gaddafis. Von anderer Seite gibt es noch keine Bestätigung für diese Information.

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