Rolle in der Welt:Frankreichs Präsident Hollande redet nicht nur, er handelt

Francois Hollande

Für eine Führungsrolle in der Welt fehlen ihm starke Partner: Frankreichs Präsident Hollande.

(Foto: dpa)

Anders als Kanzlerin Merkel in Deutschland.

Kommentar von Christian Wernicke, Paris

Es war eine Rede, wie sie Angela Merkel bis heute nicht halten mag. Oder wie die Kanzlerin sie schlichtweg nicht halten kann. Den gesamten Globus hat François Hollande am Dienstag betrachtet: Ob China oder Klima, Nahost oder Afrika, Flüchtlingselend oder Europas Malaise - alles kam vor, als Frankreichs Präsident am Dienstag vor den Botschaftern seines Landes eine gute Stunde lang die Zeitläufte analysierte.

Mehr noch, Hollande hat klar und präzise von der Verantwortung gesprochen, die seine Nation trägt. Das Gefühl, zu globaler Führung berufen zu sein, gehört zum Selbstverständnis Frankreichs. Hollande weiß - wie fast all seine Landsleute - sehr wohl, dass "La France" längst keine Weltmacht mehr ist. Aber Frankreich reklamiert, weiterhin eine Macht in der Welt zu sein.

Hollande handelt

Mit Fug und Recht. Denn Hollande redet nicht nur, er handelt. Daheim mag dieser Sozialist schwächeln beim Versuch, sein Land zu erneuern - international jedoch ist Hollande einer der wenigen Staatsmänner, der Mut zu internationaler Verantwortung beweist. So war es, als er im Januar 2013 viertausend Soldaten nach Mali schickte, um dort den Vormarsch islamischer Terrormilizen zu stoppen. Und so war es im Sommer 2013, als der Franzose den Giftgaseinsatz des Assad-Regimes in Syrien anprangerte. Hollande verlangte Strafaktionen gegen den Diktator, doch US-Präsident Barack Obama wollte nicht. Der Rest ist bekannt: Der Islamische Staat marschiert voran in Syrien wie im Irak - während Abertausende versuchen, Chaos und Krieg per Flucht zu entkommen.

Selbstverständlich bedient der Weltbürger Hollande auch nationale Interessen. Die Pariser Staatselite schätzt Westafrika als jenen Teil der Welt, in der Frankreich noch Einfluss ausüben kann, politisch wie wirtschaftlich. Und auch das Engagement im Nahen und Mittleren Osten gehorcht nicht nur den hehren Prinzipien. Frankreich hofft, in jene Lücken zu stoßen, die Amerikas schleichender Rückzug aus der Krisenregion eröffnet. Seit dem jüngsten Atomabkommen mit Teheran locken neue Kontrakte in Iran. Auch in der arabischen Welt winken lukrative Geschäfte für Paris: Französische Kampfjets, Hubschrauber und Schnellboote finden dort reißenden Absatz - im reichen Katar, aber ebenso im darbenden Libanon oder in Ägypten. Deren Milliarden-Rechnungen begleicht im Zweifelsfall die sunnitische Schutzmacht Saudi-Arabien.

Nachfrage nach Kriegsgerät aus Frankreich sichert Jobs

Insgesamt 15 Milliarden Euro, fast doppelt so viel wie 2014, wird Frankreichs Rüstungsindustrie dieses Jahr durch Waffenexport verdienen. Dieser Geldregen ist für Paris zumindest ein willkommener Nebeneffekt seines so starken Engagements im Nahen Osten. Daheim dümpelt die Wirtschaft dahin. Der Verteidigungsminister muss den Sparzwängen aus Brüssel gehorchen und Großaufträge für die heimischen Waffenschmieden zusammenstreichen. Da fügt es sich, dass die fremde Nachfrage nach Kriegsgerät aus Frankreich vorerst die Jobs sichert.

Und genau hier offenbaren sich auch die Grenzen von Hollandes Anspruch. Zwar hat der Präsident sehr wohl Sinn und Gespür für die Verantwortung, die seine Nation allen voran in Europas südlicher Nachbarschaft stemmen muss. Nur - Frankreich allein fehlt dafür die Kraft. Sein wirtschaftliches Fundament erodiert seit Jahren. Frankreich bräuchte mehr Reformen - und starke Verbündete in Europa, die die Bürde der Verantwortung in Afrika und Nahost mitzutragen bereits wären. Nur - wo finden? London entfernt sich vom Kontinent. Und Berlin? Vor eineinhalb Jahren zettelten der Bundespräsident und einige Minister zwar eine Debatte über (mehr) deutsche Verantwortung an. Aber die Kanzlerin schweigt, bis heute. Auf dass keinen Worten keine Taten folgen müssen.

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