Frankreich:Verkehrter Robin Hood

Zehntausende demonstrieren in Paris gegen die Reformpolitik von Präsident Macron. Der Protest gilt auch als Test für die zersplitterte Opposition.

Frankreich: Die Rückkehr des Königs: Ein Demonstrant zeigt Präsident Macron als Ludwig XVI.

Die Rückkehr des Königs: Ein Demonstrant zeigt Präsident Macron als Ludwig XVI.

(Foto: Francois Mori/AP)

Knapp ein Jahr nach der Wahl Emmanuel Macrons zum Präsidenten Frankreichs haben Zehntausende Menschen in Paris friedlich gegen seine Reformpolitik protestiert. Nach Angaben der Polizei nahmen an dem Protestmarsch am Samstag 40 000 Menschen teil. Die Linkspartei La France Insoumise ("Das unbeugsame Frankreich"), welche die Demonstration unterstützte, sprach auf Twitter von 160 000 Teilnehmern. Acht Menschen wurden festgenommen.

Die Demonstranten zogen am Samstagnachmittag durch das Zentrum der französischen Hauptstadt zum Bastille-Platz und hielten dabei Schilder mit Aufschriften wie "Stop Macron". Auf geschmückten Autos imitierten verkleidete Darsteller den Präsidenten und zeigten ihn unter anderem als Jupiter, die höchste Gottheit der antiken Römer, oder als Vampir Dracula. Kritiker werfen Macron vor, mit seiner Politik vor allem Unternehmen und Besserverdiener zu bevorzugen. Im Aufruf zu der Demonstration hieß es, Macron verhalte sich wie ein verkehrter Robin Hood: Er nehme von den Armen und verteile an die Reichen.

Unter den Teilnehmern waren Studenten, Krankenpfleger, Rentner und Vertreter der seit Wochen immer wieder streikenden Eisenbahner. Das Staatsoberhaupt konnte bislang viele auch umstrittene Reformen durchsetzen. Damit schlug ihm nun kurz vor Ablauf seines ersten Amtsjahrs die Kritik von Menschen mit ganz unterschiedlichen Anliegen entgegen. Vorherige Proteste richteten sich meist gegen einzelne Reformvorhaben.

Beobachter sahen die Demonstration auch als Test dafür, ob sich die zersplitterte Linke gegen den sozialliberalen Macron vereinen kann. Unter anderem trat der Chef der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, auf. Von einem Wagen aus rief er, die Franzosen seien in der Lage, gemeinsam zu kämpfen. "Es ist sinnlos zu hoffen, dass wir uns geschlagen geben!" Angestoßen hatte die Veranstaltung ein Abgeordneter der Partei.

Ein Großaufgebot von 2000 Polizeibeamten sicherte den Protestzug ab und kontrollierte vereinzelt die Taschen von Teilnehmern. Nach den massiven Ausschreitungen mit mehr als 1000 vermummten Randalierern am Rande von Demonstrationen am 1. Mai in Paris waren die Sicherheitsvorkehrungen für die Veranstaltung verschärft worden. Auch in Toulouse, Bordeaux, Lyon, Straßburg und Rennes gab es am Samstag Versammlungen.

Für Ende Mai sind in Frankreich weitere Kundgebungen angekündigt. Auch die Streiks bei der Fluggesellschaft Air France und der Staatsbahn SNCF gehen weiter. Macrons Beliebtheitswerte sind allerdings besser als die seiner Vorgänger nach einem Jahr im Amt. Der Präsident selbst war am Samstag Tausende Kilometer von den Protesten entfernt. Er beendete einen Besuch im französischen Überseegebiet Neukaledonien im Südpazifik

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