Frankreich:Valls wirbt für Reform

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Kämpft um eine Reform der Verfassung: Manuel Valls. (Foto: afp)

Leidenschaftlich kämpft der Premier um eine Änderung der Verfassung: Terroristen sollen die Staatsbürgerschaft verlieren. Doch der Widerstand wächst.

Von Christian Wernicke, Paris

Leidenschaftlich hat Frankreichs Premierminister Manuel Valls vor der Nationalversammlung für eine umstrittene Änderung der Verfassung geworben. Als Reaktion auf die Anschläge von Paris forderte der Sozialist am Freitag, wegen Terror-Taten verurteilten Franzosen fortan die Staatsbürgerschaft abzuerkennen. "Wie können jene Franzosen bleiben, die unsere Werte ablehnen, die mit Wut und Gewalt den Pakt unserer Republik zerstören und die sich in einer Terror-Armee verdingen, um ihre eigenen Landsleute zu töten?", rief Valls den Abgeordneten zu. Die Reform stößt in den Reihen der Sozialisten (PS) wie bei der konservativen Opposition auf Widerstände. 14 Monate vor den Präsidentschaftswahlen wäre ein Scheitern ein schwerer Rückschlag für Staatsoberhaupt François Hollande.

Der Präsident benötigt für seinen Vorstoß die Zustimmung der eigenen Sozialisten, aber auch der konservativen Republikaner. Jede Verfassungsänderung verlangt die Zustimmung von drei Fünfteln des französischen Kongresses. Nach fast dreimonatiger Debatte bröckelt der Rückhalt auf beiden Seiten. Linksfront, Grüne und etwa ein Viertel der sozialistischen Fraktion sehen das republikanische Gebot der Gleichheit ("Égalité") verletzt, da die Ausbürgerung in der Praxis nur Franzosen mit noch einer zweiten Staatsbürgerschaft treffen würde - de facto also vor allem Nachfahren von Einwanderern. Oppositionschef Nicolas Sarkozy hatte im Januar zwar seine Unterstützung zugesagt - unter der Bedingung, dass die Reform auf Doppelstaatler beschränkt bleibe und keine "Staatenlosen" schaffe.

Valls' Kompromiss scheint nun gleichzeitig beide Seiten zu verprellen. Zwar versicherte Valls, die Reform sei "eine Geste der Einheit": Nirgendwo nehme der Text der Verfassungsänderung und des dazugehörigen Ausführungsgesetzes Bezug auf Geburtsort oder Mehrstaatlichkeit der Straftäter. Doch zugleich kündigte Valls an, Frankreich werde eine UN-Konvention ratifizieren, die verbietet, Bürger in die Staatenlosigkeit zu entlassen. Linke Kritiker deuteten dies prompt als "Hintertür zur Diskriminierung". Rechte Skeptiker verwiesen wiederum darauf, dass Frankreich schon bei der Unterschrift auf Ausnahmen bestanden habe - und also doch Staatenlose schaffen könne.

Aus Sorge vor einer Blamage sollen zuletzt auch Vertraute Hollandes plädiert haben, die für März geplante Abstimmung im Kongress "einfach abzusagen". Hollande und Valls lehnen einen Rückzieher indes ab. Sie verweisen darauf, dass 80 Prozent der Franzosen eine Ausbürgerung von Terroristen befürworten.

Der linke PS-Abgeordnete Paul, der die Verfassungsänderung ablehnt, hält ein Scheitern "von Tag zu Tag für wahrscheinlicher". Er sieht den Widerstand in der eigenen Partei wie bei den Republikanern wachsen. So hat der konservative Ex-Premier François Fillon, der sich als Sarkozys Rivale um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bemüht, gesagt, er stimme gegen die Reform. Angeblich weiß Fillon 130 Parteifreunde auf seiner Linie.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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