Frankreich:Später Mut

Hollande gibt aus Wahlkalkül bei der Arbeitsreform nicht nach.

Von Christian Wernicke

François Hollande gilt in Frankreich als ein überaus schwacher Präsident. Wann immer es in den vergangenen vier Jahren darum ging, seinen Landsleuten klarzumachen, dass eine Erneuerung und dafür bisweilen schmerzhafte Reformen nötig sind, zauderte der Sozialist - und überzeugte niemanden.

Doch ausgerechnet jetzt, da ihm nicht einmal mehr zwölf volle Monate im Amt bleiben, beweist der Mann im Élysée plötzlich Rückgrat. Trotz der Streiks und Proteste, die Frankreich in dieser Woche lähmen, will Hollande sich diesmal nicht schon frühzeitig erweichen lassen, wie er es sonst tat. "Ich werde nicht nachgeben", sprach der Präsident am Dienstag. So viel Mut, Klarheit und Entschlossenheit hätten sich viele Parteifreunde von ihm schon bei früheren Reformen gewünscht. Der kriselnden Nation würde es heute bessergehen.

Immerhin - besser spät als nie. Hollande steht mit dem Rücken zur Wand. Bis zum Dezember muss die Arbeitslosigkeit deutlich sinken, andernfalls - so hat er versprochen - wird er sich nicht um eine Wiederwahl bemühen. Und die leidvolle Erfahrung lehrt, dass Frankreichs Wirtschaft so sehr lahmt, dass die kräftigere Konjunktur in Europa allein nicht genügend Jobs schafft. Anders gesagt: Es ist weniger der Amtsinhaber, der da plötzlich Mut zeigt - zu erkennen ist da eher die Courage des Möchtegern-Kandidaten für das Wahljahr 2017.

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