Frankreich:Sonnenkönig Sarkozy

Einst versprach Nicolas Sarkozy die Erneuerung Frankreichs. Umso enttäuschender, dass sich der Präsident nun mehr und mehr in der Rolle des Monarchen gefällt.

Stefan Ulrich

Es ist schon spät an diesem Abend im Herbst, als der französische Präsident seine engsten Vertrauten im Elysée-Palast einbestellt. Der verschworene Kreis trifft sich im Arbeitszimmer des Staatschefs. Dort zieht der Präsident eine Akte aus dem Schreibtisch. Auf dem Deckel steht, in blauer Schrift, ein einziges Wort: "Rubicon". Drinnen liegen die Befehle für einen Staatsstreich. Der vom Volk gewählte Präsident putscht, noch keine drei Jahre im Amt, gegen seine eigene Republik, um Frankreich in eine Erbmonarchie zu verwandeln.

Die Szene ist kein Szenario, sondern wirklich passiert. Im Herbst 1851 machte sich Präsident Louis-Napoléon Bonaparte daran, das Zweite Kaiserreich zu errichten und als Napoléon III. den Thron zu besteigen. Heute könnte sich kein Präsident mehr so offen und ungestraft an der Republik vergehen. Dennoch weht in diesen Herbsttagen wieder ein Hauch von Monarchie durch den Elysée-Palast.

Jean Sarkozy, ein Sohn des Präsidenten, schickt sich an, einen der wichtigsten Posten in Paris zu erobern. Er will, mit begeisterter Zustimmung seines Vaters, zum Chef von Europas größtem Geschäftsviertel La Défense aufsteigen. Gelingt ihm dies, so erlangt Jean Sarkozy eine Machtbasis, von der aus er dereinst Nicolas Sarkozy im Elysée-Palast beerben könnte. Frankreich würde damit nicht zum Kaiserreich - aber doch zu einer Republik mit sehr monarchischen Zügen.

Diese Aussicht erklärt die Aufregung, die diesen 23 Jahre alten Jurastudenten nun umgibt. Die Kritiker schimpfen, Frankreich missrate zur Sarkokratie. In Umfragen sprechen sich zwei Drittel der Bürger dagegen aus, den beruflich unerfahrenen Jüngling mit dem einflussreichen, für die Entwicklung der französischen Wirtschaft bedeutenden Posten zu betrauen. Die schwindsüchtige linke Opposition verspürt einen Energieschub, während die Politiker der Regierungspartei UMP sich vor Verlegenheit winden. Wie sollen sie das Bubenstück der Sarkozys den Wählern verkaufen?

Ängstigen muss die regierende Rechte, dass ihr Präsident den Aufruhr nicht einmal kommen sah. Offensichtlich findet es Präsident Sarkozy völlig normal, wenn sein allzu unerfahrener Sohn eine so herausgehobene Stellung erlangt. Dieser unbekümmerte Verstoß gegen den Revolutionsgrundsatz der Egalité, der Gleichheit, verstört in Zeiten, in denen viele junge, gut ausgebildete Franzosen gar keinen Job bekommen. Dabei ist Sarkozy im Mai 2007 mit dem Versprechen angetreten, eine rupture zu vollziehen, einen Bruch mit dem elitär-monarchischen Gehabe mancher Vorgänger, mit Volksferne und Machtkungelei. Den Wählern versprach er die Erneuerung Frankreichs.

Stets bemüht, Wort zu halten

Sarkozy hat sich durchaus bemüht, Wort zu halten, in dieser ersten Hälfte seiner fünfjährigen Präsidentschaft. Der rastlose Schaffer legte schnell sein - als Bling-Bling verspottetes - Glamour-Gehabe ab und überzeugte durch Taten.

Außenpolitisch versöhnte er Frankreich mit Amerika. Europapolitisch rettete er als EU-Präsident die Reform der Europäischen Union. Auch erkannte er rasch, dass Europapolitik nur gemeinsam mit Deutschland zu machen ist. Innenpolitisch durchbrach er das Lagerdenken in links und rechts, indem er Politiker der Linken in die Regierung aufnahm. In der Wirtschafts-, Sicherheits- und Bildungspolitik ist zwar noch vieles eine Baustelle - aber zumindest wird überhaupt gebaut im lange lethargischen Frankreich.

Dabei schreckt Sarkozy nicht vor unpopulären Reformen zurück. Diesen Herbst führte er eine Kohlendioxyd-Steuer ein. Kurzfristig brachte ihm das den Ärger des eigenen Anhangs. Langfristig könnte er zum Vorreiter einer umweltbewussten Steuerpolitik werden.

Sarkozy mag die Franzosen und das Ausland mit seiner zappeligen Egozentrik nerven, doch er ist wenigstens kein politisches Leichtgewicht. Ihm ist der Machterhalt kein Selbstzweck. Er will gestalten, erneuern, verbessern. Das zeichnet ihn aus im Kreis der Staats- und Regierungschefs, das könnte ihn wertvoll machen für Frankreich und Europa. Umso enttäuschender ist es, wenn Sarkozy nun dem Elysée-Syndrom verfällt.

Die Verfassung der Fünften Republik wurde von Charles de Gaulle gestaltet, einem gelernten General. Sie gibt dem Präsidenten außergewöhnliche Macht. Anders als in den USA steht ihm kein starkes Parlament gegenüber. Desto größer ist die Gefahr, dass der Mann im Elysée abhebt. Die pompösen Diensträume, die imperiale Hauptstadt und die monarchisch anmutenden Riten der Republik steigern die Versuchung. Mancher Präsident, wie der Sozialist François Mitterrand, ist ihr erlegen. Die Affäre um Jean Sarkozy zeigt, wie anfällig auch sein Vater für die Sonnenkönigrolle ist.

Bei alldem hat Sarkozy auch noch Pech im Glück. Ihm fehlt ein starker politischer Rivale, der ihn fordert, der seinem Ehrgeiz Grenzen setzt. So werden die Bürger als Wähler selbst daran gehen müssen, den Präsidenten zu zügeln. Traditionell zeigen die Franzosen viel Nachsicht mit dem selbstherrlichen Gehabe ihrer Staatschefs. Doch ihre Geduld ist nicht endlos. Von Sarkozy soll der Ausspruch stammen: "Die Franzosen sind Monarchisten - und Königsmörder."

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