Frankreich:Schwenk nach links

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Die Parteimitglieder haben sich für eine Abkehr vom bisherigen Mitte-Kurs entschieden: Benoît Hamon wird der Präsidentschaftskandidat von Frankreichs Sozialisten.

Von Christian Wernicke, Paris

Frankreichs regierende Sozialisten haben per Urwahl den Links-Utopisten Benoît Hamon zu ihrem Spitzenkandidaten für die Präsidentschaftswahl gekürt. Der frühere Erziehungsminister hatte für einen Bruch mit dem sozialdemokratischen Kurs von Präsident François Hollande geworben. Der 49-jährige Parteirebell ("Frondeur") setzte sich bei der Stichwahl am Sonntag mit knapp 60 Prozent der Stimmen klar durch. "An diesem Abend erhebt die Linke ihr Haupt", sagte Hamon am Abend. Sein Gegner, der frühere Premier Manuel Valls, räumte seine Niederlage ein. Umfragen prophezeien Hamon freilich, dass er als PS-Bewerber bei der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl Ende April mit maximal 13 Prozent aller Stimmen scheitern dürfte.

Als Erfolg konnten die Sozialisten verbuchen, dass am zweiten Durchgang der Primaire de la Gauche etwa zwei Millionen Anhänger der Linken teilnahmen - etwa 350 000 mehr als noch vor einer Woche. Das ist dennoch weniger als die Mobilisierung vor fünf Jahren (2,9 Millionen). Bei der Urwahl der rechten Republikaner im November 2016 hatten 4,38 Millionen Franzosen ihre Stimme abgegeben - mehr als doppelt so viele wie bei der PS-Vorwahl am Sonntag.

Hamon hatte alle linke Strömungen um sich scharen können. Der Europa-Gegner und Globalisierungskritiker Arnaud Montebourg hatte ebenso zur Wahl Hamons aufgerufen wie Martine Aubry, die noch immer einflussreiche Ex-Parteichefin und Bürgermeisterin von Lille. Auch der prominente Umwelt-Aktivist Nicolas Hulot sprach sich für Hamon aus, da dieser konkrete Ideen für einen ökologischen Umbau aufgreife. Valls hatte auf den Rückhalt vieler Abgeordneter, prominenter Parteikader und Minister gebaut. Allerdings verweigerten ihm etliche Hollande-Getreue die Gefolgschaft, weil sie dem früheren Regierungschef übel nahmen, dass dieser den Präsidenten im Dezember zum Verzicht auf eine neuerliche Kandidatur gedrängt hatte. Der Mann im Élysée verweigerte bisher jede Andeutung, wen er als seinen Nachfolger bevorzugt.

Führende PS-Politiker befürchten eine Marginalisierung der Partei - wie in Spanien oder England

Während der nur kurzen Vorwahl-Kampagne hatten sich beide Parteiflügel zum Teil hart bekämpft. Die Linke warf Hollande und Valls vor, sie hätten mit ihrer Politik "die Werte der Linken verraten". Anhänger von Valls wiederum unterstellten Hamon "Naivität" im Kampf gegen den Terrorismus und insinuierten, er unterhalte Kontakte zu islamistischen Organisationen. Zuletzt waren beide Kandidaten jedoch um Mäßigung bemüht: Bei einer TV-Debatte am Mittwoch verzichteten Valls wie Hamon auf persönliche Attacken. Valls anerkannte Hamon am Sonntag als "Kandidaten unserer politischen Familie". Er werde ihn unterstütze, dessen linkes Programm jedoch könne er nicht verteidigen.

Hamon hatte im Wahlkampf vor allem junge Wähler in den urbanen Hochburgen der Linken begeistert. Am Sonntag erneuerte der Vorwahl-Sieger seine Forderung, ein allgemeines Grundeinkommen in Höhe von monatlich 750 Euro für alle Franzosen ab 18 Jahren einzuführen. Finanzieren will er sein zwischen 300 bis 450 Milliarden teures Programm unter anderem mit einer Steuer auf Roboter.

Die PS-Führung fürchtet nun einen Aderlass. Laurence Rossignol, Ministerin für Frauenrechte und Valls-Vertraute, warnte, Hamon werde den PS in die Bedeutungslosigkeit führen: "Diese Linke marginalisiert sich, so wie Podemos in Spanien oder Labour unter Jeremy Corbyn." Ein Kreis sozialdemokratischer Abgeordneter droht bereits, man werde keinen PS-Kandidaten unterstützen, der als "Frondeur" den Kurs des eigenen Präsidenten bekämpft habe. Einige erwägen, ihrer Partei den Rücken zu kehren und sich einzureihen bei "En Marche", der neuen Bewegung des sozialliberalen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron. Neueste Umfragen verheißen dem früheren Wirtschaftsminister sogar Chancen, als unabhängiger Kandidat den Republikaner François Fillon zu schlagen. Die Popularität Fillons sinkt, seit ihn eine Affäre um die Bezahlung seiner Frau als "parlamentarische Assistentin" plagt.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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