Republikaner in Frankreich:Irgendwo zwischen Thatcher und Trump

Laurent Wauquiez, the front-runner for the leadership of French conservative party 'Les Republicains' (The Republicans) attends a political rally in Saint-Priest

Will seine Partei rechts positionieren: Laurent Wauquiez, der wahrscheinliche neue Chef der französischen Republikaner.

(Foto: REUTERS)

Er spricht fließend deutsch, war früher überzeugter Europäer und könnte jetzt Chef der französischen Republikaner werden: Laurent Wauquiez inszeniert sich als Anti-Macron, will die EU-Kommission abschaffen und nennt den Sozialstaat ein "Krebsgeschwür".

Von Stefan Ulrich

Ob Laurent Wauquiez mit seinen Aufgaben wächst, muss er noch beweisen. Gezeigt hat er bereits, dass er mit seinen Aufgaben wechselt. Als französischer Europaminister unter Präsident Nicolas Sarkozy gab der fließend Deutsch sprechende Politiker einst den überzeugten, liberalen Europäer. Heute, als wahrscheinlicher neuer Parteichef der Republikaner, präsentiert er sich als national-konservativer Europaskeptiker. Er fordert eine Rückbesinnung auf die französische Identität, bezeichnet den Sozialstaat als "Krebsgeschwür", will die EU-Kommission abschaffen und die Europäische Union auf sechs Mitgliedstaaten schrumpfen lassen. Sein Credo lautet: "Die Rechte muss wieder richtig rechts werden."

Obwohl Wauquiez nun in Wortwahl und Positionen in vielem dem extrem nationalistischen Front National gleicht und nichts mit der liberal-bürgerlichen Tradition am Hut hat, in der die Republikaner auch wurzeln, hat er beste Aussichten, an diesem Sonntag von den Parteimitgliedern per elektronischer Direktwahl zum Vorsitzenden bestimmt zu werden. Als Chef der größten Oppositionspartei würde der 42-Jährige damit zum wichtigsten Herausforderer des liberalen Präsidenten Emmanuel Macron. Wauquiez' innerparteiliche Herausforderer, Maël de Calan und Florence Portelli, sind an der Basis wenig bekannt und gelten als chancenlos.

Der aus einer Unternehmerfamilie stammende Wauquiez ist derzeit Präsident der ostfranzösischen Wirtschaftsregion Auvergne-Rhône-Alpes. Er verfolgt dort einen strikten Sparkurs. Seine politischen Kernthemen sind der Rückbau Europas, die innere Sicherheit, eine Verschlankung des Staates und die Stärkung der französischen Identität. Dabei macht er vor groben, populistischen Parolen und kalkulierten Provokationen nicht halt. "Ich habe mich für eine starke Sprache entschieden, um das Land aufzuwecken, wachzurütteln", sagt er. Politische Beobachter ordnen ihn irgendwo zwischen Margaret Thatcher und Donald Trump ein. Kritiker werfen ihm einen stalinistischen Führungsstil vor.

Sarkozy, Juppé und Fillon sind gestrauchelt - die Partei steckt in einer Krise

Niemand bestreitet jedoch, dass der Absolvent von gleich drei Elite-Hochschulen, darunter der berühmten Ena, hoch intelligent, gut organisiert, selbstbewusst und durchsetzungsfähig ist. Sein Weg nach ganz oben ist frei, weil die Parteigranden Nicolas Sarkozy, Alain Juppé und François Fillon vor oder während der Präsidentenwahl in diesem Frühjahr strauchelten und sich zurückzogen.

Die Republikaner stecken seither in einer enormen Krise. Sie sind über den Kurs zerstritten. Während Wauquiez die Partei ganz weit rechts positionieren will, um Wähler des Front National zu gewinnen, tendieren andere zur Mitte, um von Fall zu Fall mit Macron und dessen Regierungspartei La République en Marche zusammenzuarbeiten. Auf Betreiben Wauquiez' wurden jüngst mehrere Parteimitglieder, die für Macron arbeiten, ausgeschlossen, darunter Premier Édouard Philippe, Abgeordnete und Senatoren. Weitere Politiker könnten die Republikaner nun von sich aus verlassen. Kleinere zentristische Parteien, die bisher meist als Partner der Republikaner agierten, haben bereits angekündigt, nicht mit Wauquiez kooperieren zu wollen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: