Frankreich:Macrons Befreiungsschlag

Der französische Präsident präsentiert ein neues Kabinett, aus dem mehrere belastete Minister weichen mussten. Es gibt drei neue Ministerinnen.

Von Andrea Bachstein

Frankreich: Zweiter Neuanfang im Elysée: Präsident Macron samt Regierung.

Zweiter Neuanfang im Elysée: Präsident Macron samt Regierung.

(Foto: Christophe Petit-Tesson/AFP)

Staatspräsident Emmanuel Macron hat drei Tage nach den Parlamentswahlen in Frankreich das Kabinett umfassend umgebildet. Es trat am Donnerstag erstmals zusammen. Die zweite Regierung unter Premier Édouard Philippe sei "berufen, um lange zu bleiben", sagte Macron am Donnerstag in Paris. Auf der Tagesordnung standen im Élysée-Palast als Erstes die Verlängerung des Ausnahmezustands und ein neues Sicherheitsgesetz zur Bekämpfung des Terrorismus.

Präsident Macron nahm in der Regierungsmannschaft ein größeres Revirement vor als es zunächst nach den Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag abzusehen war. Doch waren vier Minister am Dienstag und Mittwoch zurückgetreten. Sie alle sind wegen Korruptionsaffären ins Zwielicht geraten. Drei dieser erst vor fünf Wochen Ernannten gehören zur Zentrumspartei Modem, die Koalitionspartner von Macrons Partei La République en Marche ist. Die meisten Schlüsselministerien behalten dieselben Chefs, die Macron nach seinem Amtsantritt Mitte Mai ausgewählt hat. Darunter sind Außenminister Jean-Yves Le Drian, Innenminister Gérard Collomb und Finanzminister Bruno Le Maire. Gewechselt hat jedoch die Spitze des Verteidigungsministeriums, die Florence Parly übernommen hat. Die 54-Jährige ist eine erfahrene Spitzenbeamtin und gilt als Finanzexpertin. Sie gehörte als Staatssekretärin im Finanzministerium von 2000 bis 2002 der sozialistischen Regierung an, zuletzt war sie im Topmanagement der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF Generaldirektorin der Passagier-Sparte.

Parly ist eine von drei Frauen, die Macron nun in die Regierung geholt hat, die bislang keine oder keine tragende Rolle in der Politik hatten. So ernannte er am Mittwochabend Nicole Belloubet zur neuen Justizministerin, eine Rechtsprofessorin, die dem französischen Verfassungsrat angehörte. Für Europa ist nun Nathalie Loiseau die zuständige Ministerin, sie leitete bisher die wichtigste französischen Elitehochschule ENA, die Kaderschmiede für Politik und Staatsapparat.

Macron befreite sich mit der neuen Mannschaft von Kabinettsmitgliedern, die zur Belastung für seine Glaubwürdigkeit geworden waren. Der neue Präsident hatte sich im Wahlkampf auf die Fahnen geschrieben, einen Neuanfang in der französischen Politik durchzusetzen. So kündigte er an, Korruption und Geschäftemacherei von Politikern nicht mehr zu dulden. Seinem früheren Wahlkampfmanager, besonderen Vertrauten und Parteifreund Richard Ferrand hatte Macron in den vergangenen Wochen noch die Treue gehalten, obwohl gegen den Städtebauminister wegen eines zweifelhaften Immobiliengeschäfts vor sechs Jahren ermittelt wird. Im zweiten Kabinett von Premier Philippe gab es nun schon angesichts des öffentlichen Drucks keinen Platz mehr für Ferrand.

Die drei Modem-Minister schieden aus, weil die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen führt wegen einer Scheinbeschäftigungs-Affäre. Die Partei steht im Verdacht, Mitarbeiter von EU-Parlamentariern für Parteiaufgaben eingesetzt und so möglicherweise EU-Mittel veruntreut zu haben. Modem-Chef François Bayrou, der Justizminister war, beteuerte am Mittwoch: "Bei uns gab es nie Scheinbeschäftigungsstellen." Er sprach von einer Lügenkampagne. Die zurückgetretene Europaministerin Marielle de Sarnez ist eine Vertraute Bayrous. Ex-Verteidigungsministerin Sylvie Goulard war seit 2009 im Europaparlament.

Von den 29 Ministern und Staatssekretären mit Kabinettsrang in Paris sind 15 Frauen. Politisch ist die Regierung gemischt. Neben sieben parteilosen Fachleuten sind unter den Ressortchefs vier, die der Sozialistischen Partei PS angehören oder angehörten und drei vom sozialliberalen Parti radical de gauche. Ebenfalls drei kommen von den liberal-konservativen Republikanern, aus deren Reihen auch Premier Philippe stammt.

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