Frankreich:Linker Außenseiter legt stark zu

Jean-Luc Mélenchon fordert ein Ende der Sparpolitik und kann auf den Einzug in die Präsidentschafts-Stichwahl hoffen.

Von Stefan Ulrich

München - Der Ausgang der französischen Präsidentschaftswahlen in diesem Frühjahr erscheint ungewisser denn je. Knappt zwei Wochen vor dem ersten Wahlgang am 23. April ist aus dem erwarteten Dreikampf ein Vierkampf geworden. Jean-Luc Mélenchon, der Kandidat der weit links stehenden Bewegung "La France insoumise" (Das unbeugsame Frankreich), holt in den Umfragen überraschend stark auf. In einer am Montag von dem Institut Kantar Sofres veröffentlichten Erhebung erreichte er erstmals vor dem Kandidaten der bürgerlichen Rechten François Fillon Platz drei. Kein anderer Kandidat wird derzeit von einer solchen Dynamik getragen wie Mélenchon. Unter seinen Anhängern wächst die Hoffnung, dass er es in die Stichwahl am 7. Mai schafft. Hierzu müsste er noch zulegen und am 23. April mindestens Zweiter werden.

Der Umfrage zufolge kämen der Linksliberale Emmanuel Macron, der die Bewegung "En Marche" anführt, und die Rechtsradikale Marine Le Pen, die Chefin des Front National, auf je 24 Prozent der Stimmen. Mélenchon kann mit 18, Fillon mit 17 Prozent rechnen. Die übrigen sieben Kandidaten sind weit abgeschlagen und haben keine realistische Chance auf den Wahlsieg. Unter ihnen ist auch der Kandidat der bislang regierenden Sozialisten Benoît Hamon. Falls Hamon sich noch zurückziehen und seine Wähler zur Unterstützung Mélenchons aufrufen sollte, hätte dieser gute Chancen, den ersten Wahlgang zu gewinnen. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass sich Hamon dazu durchringt. Denn dies könnte das Ende der Sozialistischen Partei bedeuten.

Ein Drittel der wahlberechtigten Franzosen erwägt, der Abstimmung fern zu bleiben. Ein weiteres Drittel hat sich noch nicht entschieden, für wen es stimmen will. Daher gilt den Meinungsforschern der Wahlausgang als offen. Der altlinke Mélenchon ist als guter Wahlkampfredner bekannt. Er möchte die EU-Verträge neu aushandeln und ist Deutschland gegenüber sehr kritisch eingestellt. Trat er früher als klassenkämpferischer Volkstribun mit aggressiven Parolen auf, gibt er sich nun pragmatisch und modern. Er möchte sein Land durch eine ökologische Revolution voranbringen, liberale Wirtschaftsreformen sowie die Sparpolitik beenden und Gutverdiener deutlich stärker besteuern.

Am Montag um 12 Uhr mittags begann in Frankreich der offizielle Wahlkampf. Damit gelten besonders strenge Regeln für die Plakatierung und für Rundfunk- und Fernsehen. Alle Kandidaten haben Anspruch auf die gleichen Rede- und Berichtszeiten. Die Umfragen sagen voraus, dass die EU-Gegnerin Marine Le Pen im zweiten Wahlkampf sowohl gegen Macron als auch gegen Fillon und Mélenchon verlieren würde. Fillon galt ursprünglich als Favorit auf die Präsidentschaft. Eine Affäre um die mutmaßliche Scheinbeschäftigung von Verwandten warf ihn jedoch zurück. Damit könnte der nächste Präsident erstmals in der Geschichte der Fünften Republik aus keiner der beiden bislang großen Parteien - der Sozialisten und der Bürgerlichen - kommen.

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