Frankreich:Liebt eure Feinde

Priest killed in church attack near Rouen

Die Kirche von Saint-Étienne-du-Rouvray war Schauplatz des Verbrechens, das Frankreich erschüttert.

(Foto: Ian Langsdon/dpa)

Abschied von Pfarrer Jacques Hamel, den Islamisten ermordeten. Seine Nichte sagt: "So wie du entscheide ich mich für den Respekt, für die Liebe und für die Mitmenschen."

Von Stefan Ulrich

Eine Woche nach dem Terroranschlag auf einen katholischen Gottesdienst in dem normannischen Ort Saint-Étienne-du-Rouvray nahmen am Dienstag in Rouen Tausende Menschen von dem ermordeten Pfarrer Jacques Hamel Abschied. "Wir sind verletzt und niedergeschmettert, aber nicht vernichtet", sagte der Erzbischof von Rouen, Dominique Lebrun, bei der Trauerfeier in der weltberühmten gotischen Kathedrale der Stadt. Es gebe in Europa, im Nahen Osten, in Afrika und Amerika zu viele gewaltsame Tode. "Es reicht." Zugleich dankte der Erzbischof den vielen Muslimen, die nach der Bluttat ihre Solidarität mit den Katholiken ausgedrückt hätten.

Besonders bewegte die Menschen in der überfüllten Kathedrale und draußen auf dem Platz vor den aufgestellten Riesenbildschirmen die kurze Ansprache von Jessica Delporte, der Nichte des Ermordeten. Nach dem islamistischen Anschlag auf die Satirezeitung Charlie Hebdo Anfang vergangenen Jahres habe sie sich gedacht: "Oh mein Gott, hoffentlich bleiben wir tolerant und umsichtig." Damals habe sie nicht geahnt, dass sie dieser Satz einmal selbst derart fordern werde. Doch sie werde sich daran halten. An ihren toten Onkel gerichtet sagte Jessica Delporte: "So wie du entscheide ich mich für den Respekt, für die Liebe und für die Mitmenschen." Die Familie des Opfers hatte für die Lesung aus dem Evangelium eine Stelle aus der Bergpredigt ausgewählt, in der Jesus sagt: "Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen."

Zwei mutmaßliche Islamisten hatten dem 85 Jahre alten Pater Hamel am 26. Juli in einer Kirche von Saint-Étienne-du-Rouvray die Kehle durchgeschnitten und einen Gottesdienstbesucher schwer verletzt. Als die beiden jeweils 19 Jahre alten Täter, die sich zur Terrormiliz Islamischer Staat bekannten, aus der Kirche stürmten, wurden sie von Polizisten erschossen.

Der erste islamistische Anschlag auf eine katholische Kirche in Frankreich hat die ganze Nation verstört. Muslimische Verbände riefen ihre Gläubigen dazu auf, mit den Katholiken zu beten und zu trauern. Viele Franzosen befürchten dennoch, dem Islamischen Staat könne es gelingen, Christen und Muslime gegeneinander aufzuwiegeln. Manche Politiker warnen sogar vor einem Religionskrieg. Aus Sicherheitsgründen fallen etliche große Feste und Festivals in diesem Sommer in Frankreich aus. Andere - wie zum Beispiel das wochenlange Bürgerfest Paris Plage an der Seine - werden zusätzlich abgesichert.

Die Politiker in Paris überbieten sich zur Zeit mit Vorschlägen, wie dem islamistischen Terror künftig besser begegnet werden kann. Premierminister Manuel Valls kritisierte es als widersprüchlich, dass es in Frankreich dem Staat verboten sei, Moscheen zu finanzieren, diese aber zugleich Geld von anderen Staaten - wie Saudi-Arabien, Marokko oder Oman - erhielten. Valls regte an, über eine öffentliche Finanzierung von Moscheebauten nachzudenken. Dem hielt die konservative Opposition entgegen, angesichts der Lage der öffentlichen Finanzen komme das nicht infrage.

Die Ermittler versuchen derzeit noch, den Überfall auf den katholischen Gottesdienst aufzuklären. Die beiden Täter lebten 700 Kilometer voneinander entfernt und kamen offenbar erst einige Tage vor dem Verbrechen in Kontakt miteinander. Ein Cousin eines der Attentäter wurde mittlerweile in Haft genommen. Die Staatsanwaltschaft Paris wirft ihm vor, er habe genau gewusst, dass sein Verwandter eine Gewalttat plante.

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