Frankreich:Kräftig umrühren in Paris

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Premierminister Manuel Valls (links) soll Präsident François Hollande (rechts) zu unpopulären Entscheidungen gedrängt haben. (Foto: Philippe Wojazer/Reuters)

In Frankreich werden die Spekulationen immer lauter, dass Präsident François Hollande entscheidende Ministerämter neu besetzt. Nur einer schweigt.

Von Christian Wernicke, Paris

Alle tuscheln. Denn einer schweigt: Seit Wochen unterhalten Spekulationen über Abgang und Rollentausch gleich mehrerer Minister die Pariser Salons. Präsident François Hollande - der einsame, und in Kabinettsfragen letztlich allein entscheidende Mann im Élysée - vernimmt zwar sehr wohl all die wabernden Gerüchte. "Er lächelt dann - aber dann sagt er wieder nichts", kolportiert ein Vertrauter des Präsidenten. Noch in dieser Woche dürfte der Sozialist über seine mutmaßlich letzte Regierungsumbildung vor der Präsidentschaftswahl 2017 entscheiden. Premierminister Manuel Valls hat deshalb sogar einen für Donnerstag und Freitag geplanten Deutschlandbesuch verkürzt. Denn nun raunt es sogar aus dem Palast, Valls selbst könne entlassen werden.

"Hinter der Maske der Loyalität organisiert Valls die Niederlage des Präsidenten"

Ein enger Zirkel langjähriger Hollande-Freunde habe den Präsidenten vor den Intrigen seines eigenen Regierungschefs gewarnt, berichtet am Dienstag der Parisien. Valls, so orakelt diese Clique alter Kameraden, spiele "den brandstiftenden Feuerwehrmann": Statt die Konflikte mit dem linken Flügel der sozialistischen Partei (PS) zu schlichten, habe der Premierminister wiederholt Öl in die Flammen gegossen. Hintergrund ist die Enttäuschung breiter Wählerschichten über den marktorientierten Kurs des Präsidenten. Hollande muss das Vertrauen wenigstens von Teilen der Grünen und der traditionellen Linken zurückgewinnen. Andernfalls hat er kaum Chancen, den ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl im April 2017 zu überstehen.

Valls Kritiker unterstellen dem Premierminister, er zerre Hollande nach rechts - um ihn so zu isolieren und am Ende zum Verzicht auf eine neue Kandidatur zu nötigen. Nur dann nämlich könnte Valls 2017 selbst als sozialistischer Bewerber antreten. Zwar hat Valls oft und laut betont, er hege keine Ambitionen für 2017. Tatsächlich aber hat Valls seinen Präsidenten zuletzt mehrmals zu Entscheidungen gedrängt, die die eigene Linke verprellten. So bestand der Regierungschef ebenso auf der jüngsten Entlassung der linken Justizministerin Christiane Taubira wie er einen unnachgiebigen Kurs im Streit über die umstrittene Ausbürgerung verurteilter Terroristen forderte. "Hinter der Maske der Loyalität organisiert er (Valls) die Niederlage des Präsidenten", zitiert der Parisien den Verdacht eines Hollande-Vertrauten.

Ein vorzeitiges Ende des Premierministers wäre zwar ein Pariser Drama - aber der Schweiger Hollande hat sich in den knapp vier Jahren seiner Amtszeit eigentlich den Ruf erworben, jedwede Sensationen zu scheuen. Auch ein per Personaltausch signalisierter Kurswechsel scheint unwahrscheinlich zu sein.

Als wichtigste Personalie gilt die Neubesetzung des Außenministeriums: Der 69jährige Laurent Fabius strebt zum Ende seiner Karriere in den erlesenen Kreis des französischen Verfassungsrats (Conseil constitutionnel), wo er neun Jahre lang sogar den Vorsitz übernehmen will.

Als Favoritin für seine Nachfolge gilt Ségolène Royal, die bisherige Umweltministerin. Die gescheiterte Präsidentschaftskandidatin von 2007, zugleich Mutter von vier gemeinsamen Kindern mit Hollande, verhehlt nicht ihre Ambitionen auf das Erbe ihres alten Gegenspielers Fabius. Aber Royal ist nicht ohne Konkurrenz: Jean-Marc Ayrault, Hollandes erster Premierminister und engagierter Verfechter deutsch- französischer Zusammenarbeit, wird ebenso gehandelt wie Michel Sapin, der aktuelle Finanzminister. Wie Royal hatte Sapin vor knapp vier Jahrzehnten mit Hollande gemeinsam an der Elitehochschule ENA studiert. Das verbindet. Im Fall eines Ressortwechsels von Sapin würde Emmanuel Macron, der 38jährige Wirtschaftsminister, dann zudem die Verantwortung für die Staatsfinanzen übernehmen und zum "Superminister" avancieren. Das Licht des Jungstars schiene dann heller denn je - zum Missfallen seines Konkurrenten Valls.

Unklar ist, ob Hollande auch auf die bewährten Dienste seines Verteidigungsministers verzichten will: Jean-Yves Le Drian gilt als einer der engsten Vertrauten des Präsidenten. Aber der 68-jährige Sozialist hat im Dezember die Regionalwahl in seiner Heimatregion Bretagne gewonnen - und Hollande hatte versprochen, die unter französischen Politikern allzu notorische Ämterhäufung zu unterbinden. Als möglicher Kompromiss galt, dass für Le Drian eine Ausnahme geschaffen wird - per Notstand: Der Präsident könnte seinen Minister in Paris halten, bis der nach den Terrorattentaten verhängte Ausnahmezustand ausläuft. Dann wäre Ende Mai noch eine weitere Regierungsumbildung fällig.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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