Frankreich:Kein Platz mehr im Wirtshaus

Frankreich: Fühlt sich betrogen: Benoît Hamon (rechts) mit Manuel Valls.

Fühlt sich betrogen: Benoît Hamon (rechts) mit Manuel Valls.

(Foto: Geoffroy Van Der Hasselt/AFP)

Unwillkommene Verbündete: Frankreichs halblinker Kandidat Macron hält heimatlose Sozialisten auf Distanz.

Von Christian Wernicke, Paris

Länger als eine Stunde hat Benoît Hamon geredet. Der Präsidentschaftskandidat der französischen Sozialisten (PS) hat viele, sehr viele Ideen vorgestellt, mit denen er die Nation in "eine wünschenswerte Zukunft" führen möchte: Er will stufenweise ein universelles Grundeinkommen einführen, künftig Roboter besteuern, die Hälfte aller öffentlichen Aufträge sollen für heimische Klein- und Mittelbetriebe reserviert bleiben. Auch an Angela Merkel hat der Linkssozialist gedacht. Die Kanzlerin, so Hamon, müsse endlich "einen Schritt vorwärts bei der Integration der Euro-Zone" gehen - und "einer Vergemeinschaftung der Schulden in Europa" zustimmen.

Hamon hat kaum Siegeschancen bei der Wahl am 23. April. Der schmächtige Kandidat kennt die Umfragen: 14 Prozent, Platz 4 im ersten Wahlgang wäre das Aus. "Ich bin bereit", beteuert der 49-jährige Linkssozialist und frühere Parteirebell trotz allem. Nur sehen das Tausende Genossen und Millionen Wähler anders: Reformsozialisten und Sozialdemokraten verweigern dem PS-Kandidaten die Gefolgschaft. Mitte der Woche war es Manuel Valls, der Hamon desavouierte. Der frühere Premierminister erklärte, er könne den linken PS-Kandidaten nicht unterstützen: "Das wäre unbegreiflich für die Franzosen." Hamons Empörung war verständlich, schließlich hatte Valls als Teilnehmer der linken Vorwahl des PS-Kandidaten versprechen müssen, Kampagne zu machen für den Sieger. "Meine Wähler fühlen sich betrogen", schimpfte Hamon.

Doch Hamons Problem ist größer als nur Valls. Auch die letzten Getreuen von Amtsinhaber François Hollande mögen sich nicht einreihen hinter ihrem Spitzenkandidaten. Sie mögen zwar nicht "den Verräter Valls", der Hollande zum Verzicht auf eine erneute Kandidatur nötigte. Aber sie verzeihen auch Hamon nicht, dass der Ex-Minister nach seiner Entlassung im Sommer 2014 den Kurs des Präsidenten torpedierte. Hamons Wahlprogramm liest sich seitenweise wie ein links-revisionistischer Gegenentwurf zu Hollande Erbe.

Die Linke will eine Stichwahl Fillon gegen Le Pen unbedingt verhindern

Seit Tagen kursieren in Paris Gerüchte, populäre PS-Promis wie Jean-Yves Le Drian, der Verteidigungsminister, oder Ségolène Royal, die Umweltministerin, würden Hamon den Rücken kehren - und sich in Marsch setzen hinüber ins Lager von Emmanuel Macron. Der sozialliberale Kandidat liegt mit seiner voriges Jahr gegründeten Bewegung "En Marche" weit vor Hamon. Also nimmt der 39-jährige Ex-Wirtschaftsminister für sich in Anspruch, er sei die bessere Hoffnung, in der Stichwahl am 7. Mai Marine Le Pen und deren Front National zu stoppen. Um das Image, nun "die "nützliche Stimmabgabe" auf der Linken zu verkörpern und nur ja eine Stichwahl zwischen Marine Le Pen und dem konservativen Republikaner François Fillon zu vermeiden, buhlt Hamon bislang vergeblich.

Nur, zu viel Zulauf könnte auch Macron schaden. "Ich habe kein Gasthaus für alle gebaut", sagte der parteilose Kandidat und meinte damit, seine Bewegung dürfe nicht zur Notunterkunft für heimatlose Sozialisten werden. Denn das könnte gemäßigt-rechte Wähler abschrecken. Hinter den Kulissen ließ Macron bereits Valls wie auch seinem früheren politischen Paten Hollande ausrichten, sie mögen nur ja Distanz wahren. François Fillon, der Republikaner, attackierte Macron diese Woche bereits als "den jüngeren Hollande".

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