Frankreich:Der zweite Frühling von François Hollande

Frankreich: Mitte dieser Woche hielt François Hollande eine lange Grundsatzrede über die Macht und die Linke.

Mitte dieser Woche hielt François Hollande eine lange Grundsatzrede über die Macht und die Linke.

(Foto: AFP)

Frankreichs Präsident ist bei vielen längst abgeschrieben. Doch jetzt sinkt die Zahl der Arbeitslosen. Und schon wird debattiert, ob er vielleicht doch eine Chance zur Wiederwahl hat.

Von Christian Wernicke, Paris

Humor hat er, immerhin. François Hollande ist, seit inzwischen vier Jahren, der unpopulärste Präsident in der Geschichte der Fünften Republik. Doch er lacht, trotzdem. "Gut gelaunt wie lange nicht mehr", so kolportiert ein Vertrauter, zeige sich der Chef. Er schlendere fröhlich über die Flure des Élysée-Palastes. Manchmal ruft er auch ein "Hé, oh la gauche!" durchs Treppenhaus. Unter diesem etwas linkischen Motto (zu Deutsch: "Hallo Linke!") hat sich soeben ein Bund getreuester Anhänger zusammengetan, der des Sozialisten vermeintliche Verdienste fürs Vaterland preist. Und bisweilen, so bezeugen Mitarbeiter, entfährt Hollande mitten in irgendeiner Krisensitzung sogar ein "Ça va mieux!" Dann blitzen seine Augen, und Frankreichs Präsident grinst.

Es geht besser. "Ça va mieux", diese drei Silben hatte Hollande Mitte April in einer Fernsehdebatte ausgesprochen. Das empfanden viele Franzosen als schlechten Scherz, angesichts von Massenarbeitslosigkeit und einer nationalen Stimmungslage, die einer kollektiven Depression gleichkommt. Doch Hollande, der Taktiker und ewige Optimist, meinte das ernst. Und siehe da, die Lage hellt sich auf: Die Zahl der Arbeitslosen sinkt, die Konjunktur zieht an. Hollande, so scheint es, rüstet sich für einen zweiten politischen Frühling.

Die Stimmung wendet sich, jedenfalls beim Tratsch in den Pariser Salons

Mitte dieser Woche hielt er eine lange Grundsatzrede über die Macht und die Linke, über den Fortschritt an sich und - natürlich - über sich selbst. Hollande verteidigte seine langatmige, oft als Feigheit gescholtene Methode ewiger Kompromisssuche als "hartnäckiges Kurshalten". Und er bewies, da er über den angeblichen Erfolg seiner oft lauwarmen Reformen sprach, regelrecht Wagemut. "Die Belohnung wird es nicht in der Vergangenheit geben - die gibt es in der Zukunft!"

Eine Zukunft für Hollande? In genau einem Jahr, am Wahlabend des 7. Mai 2017, werden die Franzosen ihren neuen Präsidenten kennen. Dass dann der Neue wieder der Alte sein könnte, schien selbst den wenigen noch verbliebenen Anhängern unvorstellbar zu sein. Längst wucherten die Spekulationen, Premierminister Manuel Valls stehe als Ersatzkandidat in den Startlöchern. Gleichzeitig ging der Stern von Emmanuel Macron auf, dem Wirtschaftsminister und schillernden Jungstar der französischen Politik.

Frankreichs Sozialisten (PS) liegen am Boden. Jeder dritte Genosse hat seit 2012 seiner Partei den Rücken gekehrt, aus Zorn, Enttäuschung und Resignation über den eigenen Präsidenten. Bislang bedeuten Hollande alle Umfragen, dass er in zwölf Monaten keine Chance hätte, es überhaupt in die entscheidende Stichwahl zu schaffen: Die konservativen Republikaner und die Vorsitzende des rechtsextremen Front National gelten als gesetzt.

Bislang. Doch die Stimmung ändert sich, jedenfalls beim Tratsch in den Pariser Salons. Und es mehren sich die ökonomischen Indizien, dass Hollande wider Erwarten bis Ende dieses Jahres jene Hürde nehmen könnte, die er sich vor einer erneuten Kandidatur selbst in den Weg gestellt hat: "Eine Umkehr der Arbeitslosenkurve", so hatte der Präsident erklärt, sei unbedingte Voraussetzung für einen Anlauf zur Wiederwahl.

Das könnte klappen. Ein zweiter, ganz anderer Grund für die neue Morgenröte des François Hollande sind all die eher düsteren Szenarien für den Fall, dass der Amtsinhaber ein Einsehen hätte - und ginge. "Sicher, unsere Partei hat gelitten unter Hollandes Reformkurs", räumt ein hoher Funktionär aus der PS-Zentrale ein. Um dann anzufügen: "Nur, die beiden Alternativen würden uns endgültig zerreißen!"

Valls und Macron würden "einen Keil durchs Herz der Partei treiben"

Der PS-Mann meint Valls und Macron. Beide - der sozialdemokratische Premierminister wie der sozialliberale Minister - zählen klar zum rechten PS-Flügel. Hollande, so glaubt der Parteifunktionär, könnte 2017 wenigstens einen Teil der linken Stammwählerschaft zurückgewinnen - "aber Valls und Macron würden einen Keil durchs Herz der Partei treiben."

Alle voran Emmanuel Macron, der 38 Jahre junge Ex-Banker und mutmaßliche Millionär, wäre für die Linke ein rotes Tuch. Fast wöchentlich ließ der smarte Minister mit einem sozialistischen Tabubruch aufhorchen: Er stichelt gegen Staatsbeamte und 35-Stunden-Woche, propagiert mehr Sonntagsarbeit und die Globalisierung.

Das hat Macron, weit vor Hollande und Valls, zum beliebtesten Mitglied der Regierung gemacht. Nur, diese Zustimmung kommt vor allem von der falschen Seite - gemäßigten und konservativen Wählern nämlich. "Macron wäre der Kandidat der Linken, von dem die rechte träumt", analysiert der Politologe Pascal Perrineau von der Eliteuni Sciences Po.

Anfang April hat Macron sich sogar seine "Bewegung" geschaffen. "En Marche", so erklärt der Minister, sei ein Sammelbecken für Reformer: "Weder links noch rechts" und schon gar "keine Partei". Hollande, seit 2012 der politische Ziehvater Macrons, sah sich genötigt, öffentlich Loyalität von Macron einzufordern: "Er weiß, was er mir schuldet." Gleichzeitig ließ Hollande seinen Zögling wissen, was er von dessen präsidentiellen Blütenträumen hält. Alle Jahre wieder, so raunte der Präsident, tauchten ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl Außenseiter auf, die als Himmelstürmer die Gunst des Volkes eroberten - um dann jäh abzustürzen.

Gegen Hollande wird Macron kaum antreten. Eher sind seine Manöver als Versuch gemeint, sich den besten Platz in der zweiten Reihe zu sichern. Falls Hollande doch nicht erneut kandidiert, hätte Macron dann wenigstens Valls überholt, seinen Premierminister. Valls und Macron belauern sich seit Monaten. Valls denkt national und warnt finster vor neuen Terroranschlägen. Macron wirbt für Europa und sieht Frankreich in der New Economy aufblühen. Beide würden sich um Hollandes Erbe einen Kampf aufs Messer liefern. "Der Präsident weiß das", sagt ein Élysée-Berater. Der Mann grinst wie sein Chef: "Voilà - ein Grund mehr zu bleiben."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: