Frankreich:Hollandes neue Mitte

Frankreich: Präsident François Hollande (links) will als gemäßigter Reformer ins Wahljahr 2017 ziehen - das, hofft er, schwächt seinen Widersacher Nicolas Sarkozy.

Präsident François Hollande (links) will als gemäßigter Reformer ins Wahljahr 2017 ziehen - das, hofft er, schwächt seinen Widersacher Nicolas Sarkozy.

(Foto: Stephane de Sakutin/AFP)

Der französische Präsident ist in Zeiten von Notstand und Terror so beliebt wie lange nicht. Er will als gemäßigter Reformer punkten und setzt auf nationale Eintracht.

Von Christian Wernicke, Paris

In der Mitte liegt die Kraft - die neue Kraft, die Frankreichs Präsident François Hollande seit sechs Wochen beseelt. Laut Umfragen ist das Staatsoberhaupt in Zeiten von Terror und Notstand so beliebt wie seit drei Jahren nicht mehr, und die Niederlage seiner Sozialisten bei den Regionalwahlen vor einer Woche fiel glimpflicher aus als befürchtet. Eine Kurskorrektur nach links, wie sie Teile seiner Partei verlangen, lehnt der Sozialdemokrat im Élysée strikt ab. Hollande spekuliert auf 2017: In 17 Monaten sind Präsidentschaftswahlen. In den Urnengang will er - anders als noch anno 2012 - offenbar nicht als Volkstribun der Linken, sondern als gemäßigter Reformer ziehen. Denn diese Taktik verheißt noch einen zweiten Vorteil: Sie schwächt Nicolas Sarkozy, Hollandes ärgsten Widersacher.

Plötzlich herrschen neue Spielregeln, und Sozis und Reps müssen sich arrangieren

Mitte ist populär. Die Franzosen sind die ewige, oft artifizielle Konfrontation zwischen der Linken und der Rechten längst leid: 68 Prozent aller Landsleute, so ermittelte das Umfrageinstitut Odoxa, wünschen sich mehr Zusammenarbeit zwischen Sozialisten (PS) und Republikanern (LR). Nur Sympathisanten des rechtsextremen Front National (FN) sind zu zwei Dritteln gegen mehr Nähe der etablierten Parteien. Die Partei von Marine Le Pen ist zudem die Ursache dafür, dass die beiden großen Parteien ihre Strategie fundamental revidieren müssen: Das bisherige Zwei-Parteien-System ist gesprengt, fortan konkurrieren drei gleich starke Blöcke um die Macht (Tripartisme). Und nur zwei von drei Kandidaten kommen laut französischem Mehrheitswahlrecht in die alles entscheidenden Stichwahl um das Präsidentenamt. Plötzlich herrschen neue Spielregeln in der V. Republik - und beide, Sozis wie Reps, müssen sich arrangieren.

Nicolas Sarkozy, der Republikaner-Chef, scheint entschlossen zu sein, mit Blick auf 2017 sein Heil auf der Rechten zu suchen. Er will dem FN Wähler abjagen, indem er zu Immigranten und Schengen, zu Muslimen und Terror ähnliche Töne anschlägt wie Marine Le Pen. Zur nötigen Abgrenzung nach Rechtsaußen genügt dem Ex-Präsidenten die Wirtschaftspolitik. Da setzen die Republikaner auf einen marktmäßigen Kurs, während der FN mehr Protektionismus und weniger Europa fordert.

Doch Sarkozys Linie ist in den eigenen Reihen umstritten. Liberale Gemüter wie die soeben als Partei-Vize geschasste Nathalie Kosciusko-Morizet oder auch der gemäßigte Ex-Premier Jean-Pierre Raffarin fordern eine strikte Abgrenzung zum FN. In dasselbe Horn blasen seit einer Woche auch Xavier Bertrand und Christian Estrosi, zwei bislang linientreue Rechte: Sie sind soeben zu Chefs zweier Regionen gewählt worden - mit den Stimmen der Sozialisten, die ihre PS-Kandidaten zurückzogen und republikanisch votierten, um den FN zu stoppen. Nach dieser Erfahrung richtete Estrosi nun eine Warnung an sein bisheriges Idol Sarkozy: "Je mehr wir nach rechts rücken, desto mehr lassen wir den FN aufsteigen." Xavier Bertrand mahnte zu mehr Zusammenarbeit der etablierten Parteien - und nutzte am Donnerstag einen Kurzbesuch von Hollande in seiner Nord-Region, um dem Sozialisten auffallend herzlich beide Hände zu schütteln. Sarkozy nahm es genervt zur Kenntnis.

Hollande hat den Termin genossen. Hinterher beteuerte er, sein Appell zu mehr nationaler Eintracht sei "ohne jedweden Hintergedanken" gewesen. Anonym räumen Regierungsberater sehr wohl ein, es "schadet der Linken nicht, wenn die Rechte gespalten ist". Der Präsident spielt mit der Mitte - sogar um den Preis gereizter Reflexe der PS-Linken: "Wir dürfen nicht alle Unterschiede zwischen links und rechts auslöschen", mahnte der Parteirebell Benoît Hamon, "die französische Linke ist nicht wie die deutsche Linke." Will sagen: Nicht so zahm wie die SPD.

Regierungschef Manuel Valls will nun testen, wie weit die neue Mitte trägt. Valls will sich regelmäßig mit den 13 gerade neu gewählten Chefs der Regionen treffen und Chancen der Zusammenarbeit sondieren. "Rechts oder links", so versichert sein Amt, "ist dabei egal". Gern würde Valls eine Idee von Ex-Premier Raffarin aufgreifen, der "einen republikanischen Pakt" für mehr Jobs vorgeschlagen hat. So ein Pakt wäre ein feines Signal der Mitte - und eine Ohrfeige für Sarkozy.

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