Frankreich:Hollandes Frischzellenkur

Mélenchon tritt an

Jean-Luc Mélenchon, linker Volkstribun und galliger Kritiker "deutscher Vorherrschaft" in Europa, will bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2017 erneut kandidieren. Er wolle "das widerspenstige Frankreich verkörpern", erklärte der 64-Jährige am Donnerstag auf seiner Homepage. Der Links-Sozialist hatte bei den Wahlen 2012 mit mehr als 11 Prozent der Stimmen Platz vier errungen. Mélenchon ist ein langjähriger Gegner von Präsident François Hollande, dem er "Verrat an den Idealen der Linken" vorwirft. Hollandes sozialistische Partei (PS) muss befürchten, dass Mélenchon ihr 2017 enttäuschte Wähler abjagt. Dies könnte den Amtsinhaber so sehr schwächen, dass seine Wiederwahl schon im ersten Wahlgang scheitert.

Mélenchons Kandidatur galt zwar als wahrscheinlich. Seine frühe Ankündigung überraschte aber selbst engste Verbündete. Frankreichs Kommunisten warfen Mélenchon vor, er befinde sich "auf einem Solo-Trip". Der germanophobe Polemiker, der die Berliner Politik in Büchern wie in Tweets attackiert ("Maul halten, Frau Merkel! Frankreich ist frei"), unterläuft zugleich eine Initiative linker Prominenter für eine "Urwahl" des linken Präsidentschaftskandidaten. Die Tageszeitung Libération hatte diese Woche eine Umfrage veröffentlicht, wonach acht von zehn Anhänger der Linken eine Vorwahl befürworten. Nach Mélenchons Alleingang dürfte sich auch Hollande der Teilnahme an der "Primaire à gauche" verweigern. Christian Wernicke

Rochade in Frankreichs Kabinett: Ex-Premier Ayrault wird Außenminister, eine grüne "Reala" übernimmt den Wohnungsbau.

Von Christian Wernicke, Paris

Die Mission des François Hollande schien so unmöglich wie die berüchtigte Quadratur des Kreises: "Kontinuität wahren" und doch zugleich "die Linke vereinen" - das, so hatten Vertraute von Frankreich Präsidenten vorab erklärt, sei das doppelte Ziel der Regierungsumbildung. Also "Weiter so", und doch - nur 14 Monate vor den Präsidentschaftswahlen - auf zu neuer Morgenröte? Hollande, dem politischen Tüftler, hat auf seine Art die Lösung gefunden: Er erneuert mit altbekannten Gesichter, die auch der Linken gefallen.

"Aus alt mach' neu" - das Paradebeispiel für des Präsidenten Methode ist der künftige Außenminister Jean-Marc Ayrault. Der Mann mit dem grauen Scheitel nämlich hatte Hollande bereits von Mai 2012 bis März 2014 als Premierminister treue Dienste geleistet. Nun kommt er wieder, darf als Erbe von Laurent Fabius das Ministerium am Quai d'Orsay übernehmen. Der Pro-Europäer, ein so profunder Kenner wie Freund der Deutschen gilt nicht nur als erfahren und solide. Er pflegt auch gute Drähte zur Linken: Seit seiner Entlassung vor 22 Monaten hatte der 66-jährige Sozialist mehrfach Vorschläge für eine progressivere, also "linke", Steuerpolitik präsentiert. Auch im bitteren Streit um Hollandes Plan, per Verfassungsänderung künftig die Ausbürgerung verurteilter Terroristen zu ermöglichen, hatte er linke Flagge gezeigt: Über Twitter mahnte Ayrault seinen Nachfolger Manuel Valls, die Nation nicht zu spalten.

Premier Valls musste die Rückkehr seines Vorgängers und Widersachers hinnehmen. Verprellt hat Hollande zudem Ségolène Royal, seine frühere Lebensgefährtin. Royal träumt vom Außenministerium, Pariser Gerüchte wähnten sie bereits auf dem Sprung ins Quai d'Orsay. Nun muss Royal doch im Umweltministerium bleiben. Als Trostpreis sprach ihr Hollande zwar die neue Kompetenz zu, nach Abschluss der Pariser "COP21" nun alle Weltklima-Fragen zu verwalten. Nur, wie gewonnen, so zerronnen: Dieses Dossier soll Barbara Pompili übernehmen, die neue Staatssekretärin aus den Reihen der Grünen.

Das ist die zweite Variante der Methode Hollande: Er holt sich, mit neuen Gesichtern, einen alten Regierungspartner zurück: Gleich drei "Realos" von Frankreichs heillos zerstrittenen Grünen treten ins Kabinett ein. Emmanuelle Cosse, die bisherige Parteisekretärin der Grünen, wird Ministerin für Wohnungsbau. Der grüne Senator Jean-Vincent Placé zieht sogar in einen Flügel des Amtssitzes des Premierministers - als Staatssekretär für Staatsreform und Verwaltungsvereinfachung. Hollandes letztes Aufgebot sendet als gleich kleine Signal linker Versöhnung aus.

Das Stühlerücken im Kabinett bedeutet keine fundamentale Neuorientierung. Allenfalls sind dies Zeichen neuer Offenheit - mit der wahrscheinlichen Folge erhöhter Reibung im Innern. Und viele bleiben: Finanzminister Michel Sapin, des Präsidenten getreuer Kumpel aus Wehrdienst und Studienzeiten, leitet weiterhin das Finanzressort. Emmanuel Macron, der als mittlerweile populärstes Kabinettsmitglied regelmäßig an sozialistischen Tabus wie der 35-Stunden-Woche rüttelt, bleibt Wirtschaftsminister. Auch Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian verharrt auf seinem Posten - obwohl er im Dezember zum Präsidenten seiner Heimatregion Bretagne gewählt worden war.

Es gab auch Verlierer an diesem Donnerstag. Fleur Pellerin etwa, die unterkühlte Kulturministerin: Sie muss gehen und ihren Platz der öffentlich noch weitgehend unbekannten Élyséeberaterin Audrey Azoulay überlassen. Oder Marylise Lebranchu, die allzeit getreue Ministerin für Dezentralisierung.

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