Flüchtlingsdebatte in Frankreich:Grenzen auf nach rechts

Flüchtlingsdebatte in Frankreich: "Keine Migranten in unseren Gemeinden": Unterstützer des Front National demonstrieren im südfranzösischen La Tour-d'Aigues gegen den möglichen Zuzug von Flüchtlingen.

"Keine Migranten in unseren Gemeinden": Unterstützer des Front National demonstrieren im südfranzösischen La Tour-d'Aigues gegen den möglichen Zuzug von Flüchtlingen.

(Foto: AFP)

Der "Dschungel" von Calais wird geräumt. Und Konservative und Front National überbieten sich mit Vorschlägen, wie sie Flüchtlinge künftig von Frankreich fernhalten wollen.

Von Leo Klimm

Die Rechten geben den Ton an. Frankreichs sozialistische Regierung betreibe "eine wahre Vorzugsbehandlung der Ausländer", giftet Marion Maréchal-Le Pen auf einer Demonstration in Grambois. In dem 1200-Einwohner-Dorf in der Provence sollen bald 60 Flüchtlinge in einem Ferienzentrum unterkommen. Sie werden nach Räumung des "Dschungels" von Calais dorthin gebracht.

Maréchal-Le Pen, Nichte von Front-National-Chefin Marine Le Pen und Abgeordnete der Rechtsextremen, lässt es sich nicht nehmen, mit etwa hundert Anhängern und Sprüchen wie "Unsere Dörfer ohne Migranten" gegen Flüchtlinge zu wettern. Ihr gegenüber haben sich, getrennt durch Polizisten, 300 Gegendemonstranten versammelt, die ihre Solidarität mit den Gestrandeten von Calais bekunden.

Die Aufnahme der etwa 7000 verbliebenen Flüchtlinge, die in dem Elendslager hausten und jetzt auf 451 Orte in Frankreich verteilt werden sollen, spaltet das Land. Im Kleinen, wie in Grambois oder auch in Loubeyrat, einem Dorf in der Auvergne, wo in der Nacht zu Montag Feuer in einer Flüchtlingsunterkunft gelegt wurde. Calais polarisiert aber auch die große Politik, weil die Räumung bei Konservativen und Rechtsextremen einen populistischen Überbietungswettkampf befeuert.

Die Auflösung des Lagers fällt in den Vorwahlkampf der bürgerlichen Republikaner, die im November ihren Kandidaten für die Präsidentenwahl 2017 bestimmen. Manche Anwärter nutzen das Thema, um unverhohlen Wähler des Front National (FN) anzusprechen - vorneweg Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der vor einer "Überschwemmung" durch Flüchtlinge warnt.

Der Slum werde sich immer wieder neu bilden, solange Europas Grenzen durchlässig seien wie ein Sieb, sagte Sarkozy bei einem Besuch in Calais. Sarkozy verspricht im Falle seines Wahlsiegs scharfe Kontrollen an Frankreichs EU-Binnengrenzen und eine Neuverhandlung der französisch-britischen Abkommen von Le Touquet, die er als Innenminister einst selbst unterzeichnet hat; sie verpflichten Paris, Menschen ohne gültige Reisepapiere an der Querung des Ärmelkanals zu hindern.

Wettern gegen den Dschungel im ganzen Land

Auch Laurent Wauquiez, Präsident der Region Auvergne-Rhône-Alpes und Interimschef der Republikaner, macht Stimmung gegen die Verteilung der Menschen aus Calais. Er soll in seiner Region 1784 der Flüchtlinge aufnehmen. Im September startete Wauquiez eine Onlinepetition "gegen die Schaffung von Dschungeln im ganzen Land".

So wie Sarkozy behauptet er, neue Aufnahmezentren schafften einen Anreiz für Flüchtlinge, nach Frankreich zu kommen, obwohl sie oft keine Aussicht auf Asyl hätten. Die Unterkünfte wirkten wie "eine Prämie für illegale Einwanderung". Ganz ähnlich drückt sich FN-Frau Maréchal-Le Pen aus. Und bevor Wauquiez mit der Petition begann, hatte schon der Bürgermeister einer FN-Hochburg einen Verein für Ortsvorsteher gegründet, die Flüchtlinge in ihrer Gemeinde ablehnen.

Die Nähe zum FN stört einige bei den Republikanern. Der konservative Präsident der Region Hauts-de-France, in der Calais liegt, räumt verlegen ein: Es falle ihm schwer, beim Flüchtlingsthema noch Unterschiede zu den Rechtsextremisten zu erklären. Doch die gibt es. Etwa den, dass auch Bürgermeister der Republikaner dem Aufruf der Regierung folgen - und Calais-Flüchtlinge aufnehmen. FN-Bürgermeister tun das nicht.

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