Frankreich:Gemeinsame Front gegen den Front National

Mass rally for attack victims in Paris

Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und sein Nachfolger François Hollande stehen vor einer gemeinsamen Herausforderung: dem Kampf gegen den Front National

(Foto: dpa)

Jede vierte Stimme geht an den rechtsradikalen Front National, daran haben sich die Franzosen gewöhnt. Das ist verstörend. Konservative und Sozialisten müssen dafür kämpfen, dass das Land dem bornierten Nationalismus widersteht.

Kommentar von Stefan Ulrich

Ein Aufatmen geht durch das moderate Frankreich. Der Front National ist bei den Départementswahlen nicht, wie erwartet, stärkste Kraft geworden. Er bekam nur 25 Prozent und landete hinter den Konservativen und vor den Sozialisten nur auf Platz zwei.

Für den sozialistischen Premier Manuel Valls ist das Grund genug, sich selbst zu gratulieren. Aber was heißt hier "nur"? Noch vor wenigen Jahren hätte es einen Schock ausgelöst, wenn der national-populistische Front National bei einer Wahl landesweit jede vierte Stimme bekommen hätte. Inzwischen hat man sich an diesen Gedanken fast schon gewöhnt. Das ist verstörend.

Gewiss: Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass die Franzosen eines Tages dem Front zur Mehrheit verhelfen und dessen Parteichefin Marine Le Pen zur Präsidentin wählen. Ein solches Debakel bleibt dem aufgeschlossenen, europäisch denkenden Teil Frankreichs wohl in absehbarer Zeit erspart. Dennoch wird sich das Land verändern.

Agitieren gegen Euro, EU und Zuwanderer

Bis vor Kurzem gab es zwei große Lager, die Linke und die moderate Rechte. Nun sind es drei. Marine Le Pen hat es geschafft, ihren Front vom Außenseiter zur etablierten Kraft zu machen. Aus dieser starken Stellung heraus wird sie fortfahren, gegen Euro, EU und Zuwanderer zu agitieren und für ein Frankreich zu werben, das sich abschottet. Das kann den proeuropäischen Weg des Landes unterminieren und die Spannungen zwischen Franzosen und Immigranten verschärfen.

Schon heute ist zu sehen, wie sich die Erfolge des Front auf die konservative UMP-Partei unter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy auswirken. Sarkozy rückte die UMP im Wahlkampf nach rechts, um dem Front beim Thema Zuwanderung und Integration Stimmen abzujagen. Künftig könnte er auch europapolitisch im Revier des Front wildern. Doch so würden Le Pens Positionen nur an Bedeutung gewinnen.

Sozialisten und Konservative müssen vorbehaltlos kämpfen

Hoffentlich widersteht Sarkozy der Versuchung. Er ist durch den Erfolg seiner UMP bei den Départementswahlen als Parteichef gestärkt und wird wohl als Kandidat der Konservativen in die Präsidentschaftswahl 2017 gehen. Seine Autorität sollte er nutzen, um die UMP klar vom Front National abzugrenzen. Dabei geht es nicht darum, Fragen auszuweichen, die der Front aufwirft: nach einem gerechteren Europa, strikteren Regeln für die Finanzwelt, innerer Sicherheit oder sozialem Zusammenhalt. Doch darauf müssen andere Antworten gefunden werden, als sie Le Pen gibt. Europäische Antworten.

Auch die regierenden Sozialisten unter Präsident François Hollande müssen trotz ihrer Niederlagen der jüngsten Zeit an einem proeuropäischen Reformkurs festhalten. Falls nicht noch ein Wirtschaftswunder passiert, werden sie die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2017 verlieren. Das wird für sie schmerzhaft sein, aber keine Katastrophe. Wichtig ist, dass das Land einem bornierten Nationalismus à la Front National widersteht. Dafür müssen Sozialisten und Konservative kämpfen. Nur wenn sie das vorbehaltlos tun, können die moderaten Franzosen aufatmen.

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