Frankreich:Frankreichs Opposition befürchtet Demontage

  • Einer Umfrage zufolge stehen Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron und seine Verbündeten bei der Parlamentswahl vor einem deutlichen Sieg.
  • Angesichts der absehbaren Schlappe kündigt sich bei mehreren Oppositionsparteien für die Zeit nach der Wahl heftiger Streit an.

Von Leo Klimm, Paris

Jean-Luc Mélenchon, der linke Tribun, ist nie um scharfe Worte und einprägsame Vergleiche verlegen. Nach Abschluss der französischen Parlamentswahl, sagt Mélenchon, könnte es in der Pariser Nationalversammlung "weniger Oppositionsabgeordnete geben als im Russland von Herrn Putin". Die Warnung ist nicht ohne Ironie - bei der Präsidentenwahl im April trat Mélenchon noch als russlandfreundlich auf. Nun zetert der Linksradikale über die "Einheitspartei" des neuen Staatschefs Emmanuel Macron, die Frankreich demnächst regieren werde. Auch die konservativen Republikaner bemühen die Schreckvokabel. Denn auch sie versuchen, für den zweiten Durchgang der Parlamentswahl an diesem Sonntag ihre Anhänger irgendwie doch noch zu mobilisieren und den Schaden zu begrenzen, den Macron ihnen zufügt.

Die Macron-Welle, die durchs Land schwappt, ist nämlich eher eine Sturmflut. Einer jüngsten Umfrage zufolge dürfte La République En Marche, die sozialliberale Formation des Präsidenten, im Verbund mit der Mitte-Partei Modem am Sonntag in 430 bis 460 der 577 Wahlkreise gewinnen. Das wirft die Frage auf, ob es in Frankreich bald noch eine arbeitsfähige parlamentarische Opposition gibt. Denn von den übrigen Parteien kann keine mit hundert Abgeordneten rechnen. Manche, wie die bisher regierenden Sozialisten, müssen bangen, ob sie die Fraktionsstärke von 15 Mandaten erreichen.

Bei den Sozialisten sind einige prominente Köpfe in ihren Stimmkreisen schon im ersten Wahlgang ausgeschieden, darunter Parteichef Jean-Christophe Cambadélis und Ex-Präsidentschaftskandidat Benoît Hamon. Nur in einer Allianz mit den Grünen und anderen Splitterparteien haben die Sozialisten Aussicht auf 20 bis 30 Abgeordnete.

Die Republikaner wiederum können nach dem ersten Wahlgang zwar sicher sein, stärkste Oppositionskraft zu bleiben. Doch sie werden im besten Fall 90 Mandate erreichen - das ist weniger als halb so viel wie bisher. Der rechtsextreme Front National (FN), dessen Chefin Marine Le Pen es bei der Präsidentschaftswahl in den Stichentscheid geschafft hatte, liegt zwar in 20 Stimmkreisen vorn. Weil sich die anderen Parteien gegen ihn verbünden, dürfte der FN aber höchstens fünf Parlamentarier stellen, unter ihnen Le Pen selbst. Angesichts der absehbaren Schlappe kündigt sich beim FN genau wie bei den Republikanern und den Sozialisten für die Zeit nach der Wahl bereits heftiger Streit an.

Mélenchon warnt vor einem sozialpolitischen Staatsstreich

Der linke Mélenchon bleibt ebenfalls klar hinter den eigenen Erwartungen zurück: Er selbst hat Aussichten, einen Stimmkreis in Marseille zu gewinnen, seine Bewegung Unbeugsames Frankreich könnte jedoch den Fraktionsstatus verfehlen. Den will Mélenchon aber unbedingt - auch um, wie er sagt, Macrons Regierung mit dem Druck sozialer Proteste auf der Straße zu konfrontieren. Mélenchon möchte den Widerstand gegen die liberalen Arbeitsmarktreformen anführen, die Macron vom Sommer an plant. "Hier ist ein Staatsstreich in der Sozialpolitik in Gang, und ich wäge meine Worte", sagt Mélenchon.

Doch all die dramatischen Warnungen werden wenig helfen. Gemäß einer Umfrage für den Nachrichtensender LCI ist eine knappe Mehrheit der Franzosen zwar nicht zufrieden mit einem Kantersieg Macrons aus dem ersten Durchgang. Trotzdem scheinen sie sich damit abzufinden, dass ihnen die Kombination aus zwei Wahlgängen und Mehrheitswahlrecht jetzt höchstens noch marginale Korrekturen ermöglicht.

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