Frankreich:Eine Reform fürs Image und fürs Vaterland

Frankreichs Präsident stellt seinen Entwurf für ein neues Arbeitsrecht vor. Für Macron hängt viel vom Erfolg des Gesetzes ab - seine Deregulierungsvorhaben im Überblick.

Von Leila Al-Serori

Demonstrators protest against a new labour law during the MEDEF union summer forum in front of the campus of the HEC School of Management in Jouy-en-Josas, near Paris

Wenn französische Politiker sich ans Arbeitsrecht wagen, dauert es nicht lange, bis es knallt und raucht. Auch gegen Macrons Reform wurde bereits demonstriert (hier in Paris), bevor Details bekannt waren.

(Foto: Charles Platiau/Reuters)

Als "kopernikanische Revolution" kündigt Emmanuel Macron seine Arbeitsmarktreform an - eine Wende also wie die vom geo- zum heliozentrischen Weltbild zu Beginn der Neuzeit. Im ersten großen Interview seit seinem Amtsantritt mit der Zeitung Le Point findet der französische Präsident große Worte für sein Vorhaben. Tatsächlich ist das Gesetz das bisher wichtigste und umstrittenste des neuen Staatschefs. Für Macron hängt viel vom Gelingen der Reform ab: Sie soll seine Autorität festigen und das Vertrauen der EU-Partner in seine Reformfähigkeit stärken. Nachdem er während der ersten hundert Tage seiner Amtszeit in der Bevölkerung stark an Beliebtheit verloren hat, sollen endlich inhaltliche Impulse folgen.

Aber gerade diese Reform, die Macrons Image als Macher zementieren soll, stößt auf heftigen Widerstand, vor allem unter Linken und vielen Gewerkschaftsvertretern. Sie sehen den Sozialstaat in Gefahr und rufen zu Massendemonstrationen auf. Ein Großteil der Franzosen glaubt einer Umfrage zufolge, dass ein heißer Herbst bevorsteht.

Doch wie sehen die genauen Pläne der Regierung Macron aus? Am Donnerstag stellten Premier Édouard Philippe und Arbeitsministerin Muriel Pénicaud die Details der fünf Verordnungen vor, die im Schnellverfahren das Arbeitsrecht lockern sollen. Vereinfacht ausgedrückt, lautet die Maxime: Arbeitgeber, entscheidet selbst! Unternehmen sollen mehr Spielraum und Entscheidungsfreiheit bekommen, sei es bei Arbeitszeiten, der Anstellung und dem Einsatz von Mitarbeitern, aber auch bei deren Kündigung. Die neuen Regeln sollen zu mehr Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit führen, sagt Macron.

Das Parlament hatte der Regierung Anfang August ausgerechnet für dieses heikle Vorhaben eine Vollmacht erteilt, die geplanten Änderungen mittels Verordnungen umzusetzen. Mitte September soll das Kabinett die Reform verabschieden.

Danach muss das Parlament noch pauschal zustimmen, woran angesichts der großen Mehrheit von Macron kein Zweifel besteht.

Dass Macron seine Pläne mit großen Worten ankündigt, liegt auch daran, dass französische Regierungen aller Couleur über Jahrzehnte daran scheiterten, eine solche Reform durchzusetzen. Massenproteste ließen sie schnell von ursprünglichen Vorhaben abrücken. Um eine Eskalation zu vermeiden, hat Macrons Team wochenlang mit den Gewerkschaften verhandelt.

Mit offenbar mäßigem Erfolg: Zwar haben zwei große Gewerkschaften ihre Protestpläne zurückgezogen, aber andere wie die linke CGT rufen weiterhin zu Demonstrationen am 12. September auf. Und auch der Linkspopulist und frühere Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon will gegen den "Putsch gegen den Sozialstaat" vorgehen.

Premier Philippe reagierte auf die Kritik und verteidigte die Pläne am Donnerstag: "Wir sind ein sozialer Rechtsstaat und wir bleiben es." Er betonte aber auch, dass Macron und seine Regierung genau für solche Reformen gewählt wurden. Das Land solle langfristig verändert werden - die Arbeitsmarktreform sei nun der erste Schritt. Hier eine Übersicht der wichtigsten Punkte der Reform:

Arbeitszeit

Derzeit gelten in Frankreich 35 Stunden als reguläre Arbeitszeit. In Zukunft sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber solche Details in den Arbeitsbedingungen häufiger auf Unternehmensebene aushandeln können, heißt es in den Entwürfen der französischen Regierung. Die 35-Stunden-Woche gäbe es dann wohl nur noch auf dem Papier. Schon jetzt arbeiten Studien zufolge viele Arbeitnehmer deutlich mehr.

Zusammenlegung von Interessensvertretungen

In französischen Unternehmen gibt es derzeit vier verschiedene Formen von Arbeitnehmervertretungen, vom Betriebsrat bis hin zu sogenannten Komitees. Die Regierung will drei von ihnen zusammenlegen, damit der soziale Dialog "effizienter" verläuft. Gewerkschaften kritisieren, dass aus einer Zusammenlegung vor allem eine Kürzung der Mittel und damit auch weniger Arbeitnehmervertreter folgten.

Vereinfachte betriebsbedingte Kündigungen

Die Pläne sehen vor, betriebsbedingte Kündigungen für Firmen zu erleichtern. Bei international tätigen Unternehmen soll nur noch die wirtschaftliche Lage in Frankreich als Grundlage dafür genommen werden, ob Entlassungen gerechtfertigt sind oder nicht. Bislang ist auch relevant, wie es dem Unternehmen im Ausland geht.

Deckelung von Abfindungen

Die Regierung deckelt die Abfindungen, die Arbeitgeber nach einer unrechtmäßigen Entlassung zahlen müssen. Den Arbeitsgerichten werden Obergrenzen vorgegeben, die sich an der Dauer der Betriebszugehörigkeit bemessen.

Stärkung von Betriebsvereinbarungen

Betriebsvereinbarungen werden mehr Gewicht bekommen. Die Regierung argumentiert, direkte Verhandlungen zwischen Chef und Belegschaft würden den Bedürfnissen beider Seiten am besten gerecht. Die Pläne bedeuteten das "Ende des Arbeitsvertrags" in seiner bisherigen Form, kritisiert der Chef der Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: