Frankreich:Ein Premier für Paris

Richard Ferrand, General Secretary of the political movement En Marche !, or Onwards !, attends a news conference at the campaign headquarters of French President elect Emmanuel Macron in Paris

Richard Ferrand muss aus der Bewegung En Marche nun eine konkurrenzfähige Partei machen.

(Foto: Charles Platiau/Reuters)

Nach Macrons Wahlsieg wird über den nächsten Premier spekuliert. In Frage kommen viele Kandidaten, denn der künftige Präsident könnte auch versucht sein, einen Vertreter der etablierten Parteien zu ernennen.

Nach dem Wahlsieg von Emmanuel Macron wird in Paris darüber spekuliert, wer neuer Premierminister wird. Macrons bisherige Andeutungen sind schwer interpretierbar. Auf der einen Seite hat der künftige Präsident angekündigt, dass er jemanden mit großer Erfahrung einem Neuling vorziehe. Auf der anderen Seite betonte Macron, er wolle eigentlich keine früheren Minister in die Regierung holen.

Damit er wirklich effektiv regieren kann, muss Macron bei der Parlamentswahl am 11. und 18. Juni eine Mehrheit für seine erst vor einem Jahr gegründete politische Bewegung En Marche bekommen. Deswegen könnte er versucht sein, statt eines Kandidaten aus dem eigenen Umfeld einen Vertreter der etablierten Parteien zu ernennen. Dies könnte es wahrscheinlicher machen, dass sich die Anhänger des jeweiligen Lagers dafür entscheiden, dem neuen Präsidenten bei der Parlamentswahl eine stabile Mehrheit zu verschaffen. Wenn Macron diese Mehrheit verwehrt bleibt, wird er sich wohl nach einem Koalitionspartner umschauen müssen, der dann eine Regierungsumbildung und den Posten des französischen Premierministers einfordern würde.

Die Liste möglicher Kandidaten ist deswegen lang. Im Folgenden eine Auswahl: Sollte es eher ein bürgerlich-konservativer Premier sein: Xavier Bertrand, 52: Der frühere Minister und Parteichef gehört seit Langem zum Führungspersonal der Konservativen. Derzeit ist er Präsident des Regionalrates von Hauts-de-France.

Édouard Philippe, 46: Der Abgeordnete gehört zu den jungen Gesichtern der bürgerlich-konservativen Republikaner. Er war Mitglied im Wahlkampfteam von François Fillon, verließ es aber, als dieser mit Vorwürfen der Scheinbeschäftigung von Angehörigen konfrontiert wurde.

Christine Lagarde, 61: Die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF war unter Präsident Nicolas Sarkozy schon mal Wirtschafts- und Finanzministerin. Aus dieser Zeit wirkt allerdings immer noch eine alte Affäre um Veruntreuung nach.

François Baroin, 51: Der frühere Haushalts- und Finanzminister hat sich selber ins Spiel gebracht. Er hofft darauf, dass Macrons Bewegung En Marche bei der Parlamentswahl nicht stärkste politische Kraft wird.

Nathalie Kosciusko-Morizet, 43: Auch sie wäre eine Kandidatin aus dem bürgerlich-konservativen Lager. Kosciusko-Morizet war von 2010 bis 2012 Umweltministerin unter Präsident Sarkozy.

Falls es eher die Mitte oder jemand aus dem eigenen Lager sein soll: Sylvie Goulard, 52: Die liberale Europaabgeordnete gilt als Vertraute Macrons. Wenn die Wahl auf sie fiele, könnte das auch ein Signal in Richtung Berlin sein: Goulard spricht fließend Deutsch.

Richard Ferrand, 54: Der Parlamentsabgeordnete hatte im vergangenen Jahr den Sozialisten den Rücken gekehrt und als Generalsekretär bei Macrons Bewegung En Marche angeheuert. Er kann nun auf eine Belohnung für die harte Arbeit der vergangenen Monate hoffen.

François Bayrou, 65: Der Zentrumspolitiker hatte seine eigenen Ambitionen auf das Amt des Staatschefs bereits vor der ersten Wahlrunde zugunsten Macrons begraben. Auch für ihn könnte sich dies politisch auszahlen.

Anne-Marie Idrac, 65: Die Vertraute Bayrous leitete früher öffentliche Verkehrsunternehmen und war bereits zwei Mal Staatssekretärin.

Wenn es eher links sein soll: Jean-Yves Le Drian, 69: Der Verteidigungsminister von François Hollande entschied sich als einer der ersten Regierungspolitiker dafür, nicht den sozialistischen Präsidentschaftskandidaten Benoît Hamon, sondern Macron zu unterstützen.

Gérard Collomb, 69: Der Senator und Bürgermeister von Lyon gehört zu den Unterstützern der ersten Stunde.

Bertrand Delanoë, 66: Der frühere Bürgermeister von Paris gehört zu den Granden der Sozialistischen Partei.

Fazit: Macron hat es bislang geschafft, seine Überlegungen und Gespräche zum Thema Premierminister völlig geheimzuhalten. In Paris wird auch für möglich gehalten, dass er jemanden zum Regierungschef ernennt, mit dem bislang niemand rechnet. Spätestens am kommenden Sonntag wird allerdings eine Ansage erwartet. Dann übernimmt Macron die Amtsgeschäfte vom scheidenden Präsidenten Hollande.

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