Frankreich:Die Siege der Madame Le Pen

Nur ein müdes Zweckbündnis von Konservativen und Linken hält den rechtsextremen Front National noch in Schach. Das geht nicht ewig gut.

Von Christian Wernicke

Bei den Regionalwahlen ist es dem enfant terrible der Politik, dem rechtsextremen Front National, nicht gelungen, auch nur einen einzigen Landstrich zu erobern. Die Franzosen atmen durch. Es funktionierte ein alter, etwas erlahmter Reflex, wenigstens bei den Linken - die "republikanische Front": Zähneknirschend stimmten Sozialisten, Grüne und Kommunisten für einen konservativen Republikaner, um die Partei von Marine Le Pen zu stoppen. Das kleinere Übel wird erduldet, auf dass es nicht ganz böse zugeht.

Das Rennen um die Macht in den Regionen hat der Front National also nicht gewonnen. Nur, das ist noch kein Anlass zum Jubel. Denn verloren haben die Rechtsextremen auch nicht, im Gegenteil: 6,82 Millionen Franzosen, mehr als je zuvor, wählten am Sonntag den Front. In den Regionalparlamenten werden nun dreimal mehr FN-Leute hocken als bisher. Und mit knapp 30 Prozent der Stimmen kann sich Marine Le Pen rühmen, das alte Zwei-Parteien-System gesprengt zu haben.

Schon jetzt ist so gut wie sicher: An einem Sonntag im April 2017, beim ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen, wird die dann 48-jährige Populistin auf irgendeiner Bühne in Paris stehen und strahlen. Und ihre Anhänger werden freudetrunken jubeln, weil ihre Jeanne d'Arc es in die Stichwahl um das höchste Staatsamt geschafft hat.

Keine Bange, weiter wird Marine Le Pen nicht kommen. Nicht 2017. Im zweiten, entscheidenden Wahlgang werden dann erneut dieselben müden Parolen und mauen Kräfte mobilisiert, die schon diesen Sonntag aushalfen: Republikaner und Sozialisten, die sich sonst auf kaum etwas einigen können, werden sich zusammenraufen und im Namen der Republik zur Wahl von Le Pens Gegenkandidaten aufrufen. Die Franzosen werden vernünftig bleiben, werden mit etwas Angst und ohne viel Überzeugung "den anderen" küren. Nach aktuellem Stand wäre das dann ein gebrauchter Präsident: noch mal François Hollande oder wieder Nicolas Sarkozy.

Der rechtsextreme Front National beherrscht die Politik

Das ist keine Aussicht, welche die Herzen der Franzosen sonderlich erwärmt. Umfragen zeigen, dass die Menschen beide leid sind: den sozialistischen Amtsinhaber wie dessen konservativen Vorgänger. Aber beide Lager stellen ihre Taktiken bereits auf dieses Szenario ein. Weder Hollande noch Sarkozy denken momentan daran, ihre Landsleute 2017 mit neuen, gar kühnen Ideen zu überzeugen. Nein, sie wetten auf Platz. Sie schielen, hinter Marine Le Pen, auf den zweiten Platz im ersten Wahlgang - um diese dann ohne viel ideellen Aufwand und im Namen der einigen Republik in der Stichwahl zu besiegen.

Schon dieses Szenario macht trübsinnig. Finster ist, wie beide Männer inzwischen Anleihen machen bei Le Pen. Vor allem Sarkozy schlägt gegenüber Migranten, Muslimen oder auch Europa Töne an, die sehr nach Le Pen klingen. Und auch Hollande greift als Anti-Terror-Präsident auf FN-Ideen zurück. Marine Le Pen mag an den Urnen nicht gewonnen haben. Aber ihre Gedanken marschieren.

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