Frankreich:Die Fehler des Monsieur Hollande

Ein Jahr vor dem Ende seiner Amtszeit ist eines klar: François Hollandes Präsidentschaft ist gescheitert. Einen großen Dienst allerdings könnte der Sozialist dem Land noch erweisen - und im Jahr 2017 nicht mehr antreten.

Von Stefan Ulrich

François Hollande ist ein Mann vieler Tugenden. Er gehört dem realistisch-moderaten Lager der französischen Sozialisten an, verfügt über große politische Erfahrung und das Geschick, zwischen streitenden Flügeln zu vermitteln. Als Chef der Sozialisten schaffte er es, diese von mächtigen Egos geplagte und in viele Gruppen aufgespaltene Partei elf Jahre lang zusammenzuhalten. Hollande ist intelligent und exzellent ausgebildet. Er besuchte drei Elite-Hochschulen, darunter die Ena, die Kaderschmiede der Republik. Er kann zuhören, humorvoll und leutselig sein. Im Chaos, wie zum Beispiel nach Terroranschlägen, behält er die Ruhe.

Und dann hat er auch noch Steherqualitäten. Niederlagen steckt er stoisch weg. Obwohl etliche Franzosen den etwas weichlich erscheinenden Mann als "Flamby" (so heißt in Frankreich ein Pudding) und "Tretbootkapitän" bespöttelten, setzte er sich bei der Nominierung des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten für 2012 gegen alle Konkurrenten durch. Dann schaffte er, was ihm zunächst kaum jemand zugetraut hatte: Er besiegte den Wahnsinns-Wahlkämpfer Nicolas Sarkozy.

Hollande brachte also gute Voraussetzungen mit, ein guter Präsident zu werden. Zumal ihn die Wähler mit sehr viel Macht ausstatteten. Seine Sozialisten beherrschten die Nationalversammlung und den Senat sowie die meisten Regionen und Großstädte. Wer wollte Hollande aufhalten?

Doch nun das: Ein Jahr vor Ende seiner ersten Amtszeit hält ihn nicht einmal mehr jeder fünfte Franzose für einen guten Präsidenten. Falls Hollande, wie er es sich wünscht, kommendes Jahr wieder bei der Präsidentenwahl antritt, würde er Umfragen zufolge bereits im ersten Wahlgang ausscheiden, unabhängig davon, wen seine Gegner aufstellen.

Der Präsident ist gescheitert - er sollte 2017 nicht mehr antreten

Diesen Mittwoch erlebte Hollande bereits ein Debakel. Er musste eine pompös in Versailles angekündigte, aber inhaltlich unnötige und politisch schlecht abgesicherte Verfassungsreform zurückziehen, weil ihm im Parlament die Mehrheit dafür fehlte. Der Versuch, Terroristen die Staatsbürgerschaft zu entziehen, um rechte Wähler zu beeindrucken, scheiterte kläglich. Auch seine geplante Großreform des Arbeitsrechts, um endlich die dem Volk versprochenen Jobs zu schaffen, wird zerfleddert. Um den Linken entgegenzukommen, hat der Präsident die Reform bereits abgeschwächt. Das hinderte die Gewerkschaften und viele seiner sozialistischen Genossen jedoch nicht daran, am Donnerstag aus Protest gegen die Reform halb Frankreich lahmzulegen.

Die Prognose ist nicht allzu gewagt: Hollandes Präsidentschaft ist gescheitert.

Doch warum konnte der Sozialist seine Tugenden im Élysée nicht zur Geltung bringen? Weil er zwei Kardinalfehler beging: Erstens vertraute Hollande darauf, eine anspringende Weltwirtschaft werde auch die Wirtschaft in Frankreich in Schwung bringen und es ihm ersparen, unpopuläre Reformen wie einst der Deutsche Gerhard Schröder anzupacken. Das war ein Irrtum. Zweitens wurde Hollandes Ausgleichstalent, das ihm als Parteichef half, im Präsidentenamt zum Problem. Die französische Verfassung, von Charles de Gaulle geprägt, ist ganz auf den Staatschef zugeschnitten. Gibt er keinen klaren Kurs vor, schlingert die Republik. Hollandes Bestreben, es auch als Staatschef allen recht zu machen, führte dazu, dass er nun fast alle gegen sich hat.

Dennoch kann dieser Präsident seinem Land noch einen großen Dienst erweisen: Indem er 2017 nicht mehr antritt. Stattdessen sollte er den Sozialisten helfen, im verbleibenden Jahr einen Kandidaten zu finden, der wenigstens eine kleine Siegeschance hat. So könnte Hollande mithelfen zu verhindern, dass am Ende die nationalistische Marine Le Pen den Élysée stürmt.

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