Frankreich:Der Rechtsstaat leidet

Der dauerhafte Ausnahmezustand symbolisiert einen Schwächezustand.

Von Stefan Ulrich

Ein Ausnahmezustand, der, wie gerade in Frankreich, vier Mal verlängert wird und nun mindestens 14 Monate lang dauert, ist kein Ausnahmezustand - er ist neuer Normalzustand. Sonderrechte für die Polizei, zum Beispiel die Möglichkeit, ohne Erlaubnis eines Richters nachts Wohnungen zu durchsuchen, werden zur Regel. Das schadet dem Rechtsstaat doppelt. Erstens wird die Kontrolle staatlicher Macht geschwächt. Zweitens symbolisiert der dauernde Ausnahmezustand den Schwächezustand eines Staates. Dieser zeigt sich außerstande, einer Gefahr mit normalen Mitteln Herr zu werden. Das wiederum kann die Bürger zusätzlich verunsichern.

Dennoch ist es verständlich, dass die Nationalversammlung der Verlängerung des Ausnahmezustands bis Januar 2017 zugestimmt hat. Die Anschlaggefahr ist, das zeigt das Massaker von Nizza, immens. Und der Druck der rechten Opposition auf die linke Regierung, Stärke zu zeigen, ist enorm. Durch den Ausnahmezustand kann Präsident Hollande demonstrieren: Wir tun alles, was wir können.

Tatsächlich reicht selbst das nicht, um die Franzosen zu schützen. Der Massenmörder von Nizza schlug während des Ausnahmezustandes zu. Erfreulich offen sagt Premier Manuel Valls, die Franzosen dürften sich zwar nie an den Terror gewöhnen. "Aber wir müssen lernen, mit dieser Bedrohung umzugehen." Wer mehr verspricht, lügt.

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