Frankreich:Kriegspräsident Hollande

Nach den Terroranschlägen von Paris zeigt Frankreichs Präsident Stärke. Seine Macht könnte aber bald schwinden.

Kommentar von Stefan Ulrich

François Hollande ähnelt jenen Filmhelden, die im Alltag mittelprächtig bis tollpatschig agieren, aber über sich hinauswachsen, wenn das Schicksal sie auf die Probe stellt. Als Parteichef der Sozialisten galt Hollande als farblos und entscheidungsschwach; als "Tretbootkapitän" verspotteten ihn seine Gegner.

Dann fegte er, zur allgemeinen Überraschung, in einem beherzten Wahlkampf das Energiebündel Nicolas Sarkozy aus dem Präsidentenpalast. Danach, als Staatschef, enttäuschte Hollande wieder. Viele Franzosen warfen ihm mangelnde Führung vor. Doch wenn es wirklich ernst wurde, war Hollande zur Stelle. Er stoppte die Islamisten in Mali und gab seinen Landsleuten nach den Anschlägen vom Januar in Paris Halt.

Auch jetzt, angesichts einer noch schlimmeren Attentatswelle, zeigt der Präsident Stärke. Er wirkt selbstsicher und tatkräftig. Er tröstet, ermutigt, erklärt den Terroristen - durchaus martialisch - den Krieg, schickt Soldaten auf die Boulevards und lässt Bomben über der syrischen Terror-Kapitale Raqqa abwerfen. Hollande gibt den Menschen das, was viele nach derart schrecklichen Ereignissen von ihrem Staat erwarten: dass etwas passiert.

François Hollande beweist: Wenn es ernst wird, ist auf ihn Verlass

Das verlangt besonders Frankreich, wo der Präsident als Verkörperung von Macht und Einheit der Nation gilt. Daher ist es ein kluger Schritt, dass Hollande am Montag erstmals in seiner Amtszeit die Abgeordneten und Senatoren in Versailles, im Schloss des Sonnenkönigs, zusammenrief, um sich als Kriegspräsident zu erklären. Der Präsident fordert, wie im Januar, energisch den Zusammenhalt ganz Frankreichs ein - und lässt den blassen Monsieur Hollande fürs Erste vergessen.

Mit der Einheit aber dürfte es bald vorbei sein. Anders als im Januar machen die konservativen Republikaner diesmal sofort mit Extremforderungen Druck. Republikaner-Chef Sarkozy will mehreren Tausend Terrorverdächtigen prophylaktisch Fußfesseln anlegen. Sein Generalsekretär verlangt, die Verdächtigen - ohne Urteil - in Internierungslager zu stecken. Der Druck wird noch zunehmen, denn im Dezember sind Regionalwahlen. Dann ist Hollande mit seinen Sozialisten wieder allein.

Wie um die Einheit steht es auch um die Macht von Präsident und Nation nicht zum Besten. Die Terroristen vom Freitag waren den Behörden als radikalisierte, womöglich zu Anschlägen bereite Menschen bekannt. Die Dienste rechneten mit einer Attentatswelle und bereiteten sich darauf vor. Dennoch konnten sie diesen blutigen Freitag nicht verhindern. Je schneller die Aufklärung nun vorankommt, desto mehr werden sich die Bürger fragen, warum man vorher nichts gemerkt hat. Und wenn es Pannen gab, wird jemand die politische Verantwortung übernehmen müssen.

Hollande steht vor weiteren Prüfungen. Doch womöglich macht gerade das ihn stark. Das verängstigte Frankreich braucht im Élysée keine Scharf- und Panikmacher, sondern einen Präsidenten der Vernunft, der nicht agitiert, sondern handelt. Hollande hat bewiesen: Manchmal kann er so ein Präsident sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: