Frankreich:Der Geist der Résistance

The portraits of four figures of the French Resistance are displayed at the Pantheon on the eve of a ceremony in Paris

Die Porträts vier neuer Nationalhelden hängen vor dem Panthéon in Paris - gerade der Jugend sollen ihre Geschichten Inspiration sein.

(Foto: Philippe Wojazer/Reuters)

Frankreichs Präsident Hollande nutzt die Ehrung von vier Nationalhelden, um in der Krise die Einheit der Nation zu beschwören.

Von Christian Wernicke, Paris

Mit einer bewegenden Rede hat Präsident François Hollande am Mittwochabend vier Résistance-Kämpfer geehrt. Anschließend wurden ihre sterblichen Überreste ins Panthéon von Paris überführt, gleichsam den Tempel der Republik, in dessen Gruft seit der Französischen Revolution von 1789 verdiente Nationalhelden ihre letzte Ruhestätte finden. Hollande nutzte die Zeremonie, um die vier Aktivisten des Widerstands gegen die deutsche Besatzung während des Zweiten Weltkriegs der französischen Jugend als Leitbilder zu präsentieren. Der "Geist der Résistance", so Hollande, lebe fort und mahne die Franzosen bis heute, sich gegen Unrecht sowie für Freiheit und Demokratie einzusetzen.

Auf Wunsch des Präsidenten nahmen an der Feier auch mehrere Schulklassen und Studentengruppen teil. Die jungen Franzosen wurden vor dem mit Fahnen und Kränzen geschmückten Panthéon von Veteranen des Widerstands begrüßt. Hollande, so hieß es vorab von Beratern aus dem Élysée-Palast, sehe mit Sorge, wie "geschwächt und gespalten" die französische Gesellschaft nach Jahren wirtschaftlicher Krise und besonders nach den Terroranschlägen vom Januar sei. Dem wolle das Staatsoberhaupt "mit einem Appell zur Eintracht" entgegentreten.

Der Präsident nutzte das Lebenswerk und Schicksal der vier neuen Nationalhelden, um seine Vorstellung eines modernen, prinzipientreuen Gemeinwesens zu propagieren. "Diese vier Persönlichkeiten bilden ein Ganzes, sie sind - als Idee unserer Republik - untrennbar miteinander verbunden", erklärte vorab Constance Rivière, die stellvertretende Chefin des Präsidentenkabinetts, die an Hollandes Rede mitgeschrieben hatte.

Aus Angst, die Gestapo könnte ihn foltern, stürzte sich der Widerstandskämpfer in den Tod

Hollande hatte bereits bei der Bekanntgabe seiner Wahl der vier Geehrten vor über einem Jahr jedem der Toten einen Schlüsselbegriff zugewiesen. Diese Idee griff er am Mittwoch wieder auf. Den Journalisten Pierre Brossolette, einen der führenden Köpfe der Résistance, ehrte der Präsident mit dem Wort "Liberté" (Freiheit). Brossolette hatte schon früh vor dem Totalitarismus der Nazis gewarnt. Der Sozialist, der phasenweise ein Gegenspieler des Résistance-Helden Jean Moulin war und sich auch mit General de Gaulle zerstritten hatte, war im Februar 1944 von deutschen Besatzungstruppen festgenommen und danach im Pariser Hauptquartier der Gestapo an der Avenue Foch tagelang gefoltert worden. Aus Angst, seine Peiniger könnten ihn zum Reden bringen, nutzte Brossolette am 22. März 1944 einen Moment der Unachtsamkeit seiner Wärter, um sich aus dem fünften Stock in den Tod zu stürzen.

Der zweiten "Panthéonisierten" vom Mittwoch, der Ethnologin Germaine Tillion, widmete Hollande den Begriff der "Égalité" (Gleichheit). Tillion, die sich im Juni 1940 nach der Kapitulation der mit den Nazis kollaborierenden Vichy-Regierung dem Widerstand verschrieben hatte, half unter anderem jüdischen Bürgern, der drohenden Deportation zu entkommen. Einer Familie gab sie dazu die Personalpapiere ihrer eigenen Familie. Nach einer Denunziation wurde Tillion ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Dort traf sie ihre Mutter, die im März 1945 von Deutschen vergast wurde.

Tillion überlebte und blieb - auch dank ihrer exakten Notizen und Studien - Zeit ihres Lebens eine Kronzeugin des KZ-Horrors. Nach dem Krieg widmete sich Tillion, die schon vor dem Krieg jahrelang im damals von Frankreich beherrschten Algerien Feldforschungen betrieben hatte, wieder ihren Studien. Zugleich prangerte sie die Verelendung der Bevölkerung an - und versuchte, nach Ausbruch des Algerienkrieges, zwischen Befreiungsbewegung und Paris zu vermitteln. Die Widerstandskämpferin Tillion genoss auch auf algerischer Seite Respekt, weil sie wiederholt die Folterungen der französischen Armee angeprangert hatte.

Tillion wie auch ihre Résistance-Gefährtin Geneviève de Gaulle-Anthonioz wurden am Mittwoch auf Wunsch ihrer Angehörigen nur symbolisch ins Panthéon überführt: Ihre sterblichen Überreste bleiben in den bisherigen Gräbern, in ihren Särgen lag nur etwas Erde ihrer eigentlichen Grabstellen. Hollande ehrte de Gaulle-Anthonioz mit dem Begriff "Fraternité" (Brüderlichkeit): Die Nichte von General de Gaulle, wie Tillion eine Überlebende des KZ Ravensbrück, hatte sich noch im Nachkriegs-Frankreich unerbittlich gegen Armut eingesetzt.

Den Vierten im Bunde - dem ermordeten Kulturminister Jean Zay - zeichnete Hollande mit dem wohl höchsten Ehrenwort aus: dem Begriff der "République". Der linke Radikale Zay hatte sich für eine laizistische Schulerziehung aller Franzosen eingesetzt. Bei Kriegsausbruch 1939 legte er sein Ministeramt nieder, um als Soldat zu kämpfen. Er wurde von Milizionären der Vichy-Regierung 1944 in einem Wald erschossen.

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