Frankreich:Der Front National will zurück zu seinen Wurzeln

FILE PHOTO - France's far-right National Front (FN) leader Marine Le Pen and vice-president Florian Philippot attend a FN political debate in Paris

Jahrelang war Philippot der wichtigste Einflüsterer von Marine Le Pen. Nun musste der Parteivize vom gemäßigten Flügel des Front National gehen.

(Foto: REUTERS)
  • Jahrelang war Florian Philippot der wichtigste Einflüsterer von Marine Le Pen. Nun muss der stellvertretende Chef des Front National gehen.
  • Der omnipräsente EU-Abgeordnete hatte seine Chefin nach der verlorenen Stichwahl gegen Macron offen herausgefordert.
  • Philippot, 35 Jahre alt und homosexuell, er stand bisher für einen angeblich moderneren Front National.

Von Leo Klimm, Paris

Am Ende drehte sich der Streit sogar um Couscous und um die Frage, ob ein französischer Patriot das nordafrikanische Gericht denn mögen dürfe. Florian Philippot habe sich, echauffierten sich die Rechtesten innerhalb der Rechtspartei Front National (FN) "eine x-te Provokation" geleistet als er jüngst in einem Straßburger Restaurant Couscous gegessen habe und seine Begleiter davon auch noch ein Foto durchs Netz schickten, versehen mit einem Lob für den Koch. Am Donnerstag nun erklärte Philippot, bisher FN-Vize, seinen Austritt aus der Partei. Unmittelbar zuvor war es zum spektakulären Bruch mit Parteichefin Marine Le Pen gekommen.

Jahrelang war Philippot der wichtigste Einflüsterer der FN-Anführerin, ihr "Guru" gar, wie manche spotten. Er war der Stratege, der die "Entdämonisierung" des FN bewerkstelligte, indem er Marine Le Pen von ihrem offen antisemtischen Vater löste, dem FN-Gründer Jean-Marie Le Pen. Philippot verpasste der Formation ein weniger extremistisch anmutendes Profil, zu einer sozial angehauchten Kümmerer-Partei, die ihren rassistischen Kern verbergen sollte - und machte sie damit für viele Franzosen wählbar. Das brachte Erfolg. Marine Le Pen ließ ihn gewähren.

Le Pens langjähriger Einflüsterer hatte sie kaum verhohlen herausgefordert

Doch nun hat sie ihn erniedrigt, indem sie ihm im FN-Vorstand die Zuständigkeit für die Strategie und Kommunikation entzog. Der Grund dafür ist nicht Philippots Vorliebe für Couscous. Sondern ein Kampf um den Kurs der Partei - und letztlich um die Macht über sie. Jetzt ist Philippot weg. Die eigentliche Krise bei den Rechtsextremen beginnt aber womöglich erst.

Der in Frankreichs Medien omnipräsente EU-Abgeordnete Philippot hatte seine Chefin kaum verhohlen herausgefordert, als er schon kurz nach der verlorenen Präsidentenwahl im Mai seine parteiinterne Bewegung "Die Patrioten" gründete. Der Verein sei ein Forum, um die von Le Pen nach der Wahl ausgerufene Neubegründung des FN voranzutreiben, behauptete er. Le Pen jedoch sah darin eine Intrige ihres einst so treuen Dieners, um sich in der Partei eine eigene Hausmacht aufzubauen. Sie verlangte von ihm, seine Loyalität zu beweisen und den Verein aufzugeben - doch der weigerte sich. "Hier ging es natürlich nicht um eine Denkfabrik, sondern um eine neue politische Partei", begründet Le Pen, warum sie den ehrgeizigen Vize ausmanövriert hat.

Philippot dagegen sieht den Streit um seinen Verein als Vorwand Le Pens und anderer FN-Kader, der von dem heftigen Richtungsstreit ablenken soll, in dem sich die Partei befindet. "Der FN ist dabei, seine Linie komplett zu ändern, er unternimmt eine absolut Furcht erregende Rückkehr in die Vergangenheit", wettert Philippot. Die Rückbesinnung auf klassisch rechtsextreme, identitäre Themen werde die Partei Wählerstimmen kosten.

Philippot, gerade einmal 35 Jahre alt und homosexuell, stand bisher für einen angeblich moderneren FN und den Kurs des "sozialen Souveränismus" für Frankreich: Der einstige Ziehsohn des Linksgaullisten Jean-Pierre Chevènement sieht weniger in Einwandung als in der Euro-Mitgliedschaft den Grund für die wirtschaftlichen und sozialen Probleme seines Landes. Doch die Forderung nach einem Euro-Austritt Frankreichs und die harte Konfrontation mit der deutschen Kanzlerin, die Marine Le Pen im Vertrauen auf Philippot im Präsidentschaftswahlkampf propagierte, brachte nicht nur Stimmen. Sie schreckte Demoskopen zufolge auch viele Wähler ab. Obwohl es Le Pen in die Stichwahl schaffte und der FN bei der Parlamentswahl im Juni acht Abgeordnetenmandate errang, so viele wie nie, empfinden viele Parteifunktionäre der alten FN-Schule die Wahlen in diesem Jahr als Niederlage. Sie hatten mehr erwartet. Dafür, so sieht es Philippot, opfert ihn Le Pen nun.

Parteigründer Jean-Marie Le Pen frohlockt bereits über die neue Entwicklung des Front National

Der smarte Jungrechte deutet an, dass er mit dem Abgang beim FN nicht etwa seine politischen Ambitionen aufgibt. Ein paar Getreue, darunter auch eine EU-Abgeordnete, haben mit ihm die Partei verlassen. Es sind wohl zu wenige, um eine wirkliche Spaltung des FN hervorzurufen wie 1999, als Dutzende Kader die Revolte eines internen Widersachers Jean-Marie Le Pens unterstützten. Doch Philippots Abschied dürfte der traditionellen FN-Politik, die sich gegen Einwanderung den Islam richtet, wieder Auftrieb geben.

Auch Le Pen selbst steht nach ihrer Niederlage in der Präsidentenwahl gegen Emmanuel Macron unter Druck. Ihr Nichte Marion Maréchal-Le Pen, die dem klassischen Parteiflügel angehört, hat sich zwar im Sommer aus der Politik zurückgezogen. In Paris erwarten viele Beobachter aber, dass sie nur die richtige Gelegenheit abwartet, ihrer Tante die FN-Führung streitig zu machen. Schon mit dem nächsten Parteitag im März könnte sie Gelegenheit dazu haben. Marine Le Pen wiederum will bis dahin die programmatische Ausrichtung des FN klären. Selbst einen Wechsel des vom Vater geerbten Parteinamens, der viele Franzosen verschreckt, stellt sie zur Debatte.

Die Positionierung als scharfe Anti-EU-Partei, die Philippot so betont hat, möchte Le Pen aber beibehalten: "Wir werden die EU weiter mit unserer ganzen Seele bekämpfen, denn sie ist ein Instrument der Verarmung unseres Volkes", sagt sie. Dem einstigen Einflüsterer selbst weint sie dagegen nicht nach: "Der Front National wird sich leicht von seinem Austritt erholen", schickt sie ihm hinterher.

Auch Vater Jean-Marie, den Philippot ins Aus gedrängt hatte, frohlockt. Er erwartet eine Rückkehr der Partei zu den Anfängen: "Der Front National braucht keine Neugründung. Es genügt, ihn von dem Einfluss zu heilen, den Florian Philippot auf ihn hatte."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: