Frankreich:Der FN spielt mit dem Feuer

Ein Mitglied des Front National zündet Autos an und beschuldigt hernach Migranten. Jetzt sitzt der Brandstifter in U-Haft. Auch Drogen sollen im Spiel gewesen sein.

Von Christian Wernicke, Paris

Adrien Desport liebte den Kitzel des Risikos. Und das Spiel mit dem Feuer, auch in der Politik: 13 Autos hat der junge Rechtsextremist zusammen mit fünf gleichgesinnten Kumpanen im April in Mitry-Mory, einem Vorort im Nordosten von Paris, angezündet - um anschließend auf seiner Website "das Gefühl der Unsicherheit, das viele Mitbürger verfolgt", und die Hilflosigkeit der Behörden anzuprangern. Nun sitzt der frühere Funktionär des Front National (FN) in Untersuchungshaft: Dem brandstiftenden Biedermann droht eine Gefängnisstrafe wegen bandenmäßigen Vandalismus' und Drogenmissbrauchs.

Jede Menge Alkohol sowie Kokain waren im Spiel, wann immer Adrien Desport und seine Getreuen loszogen. Der 25-jährige Jungpolitiker, so bezeugten einhellig seine Mittäter, sei Rädelsführer der Aktionen gewesen. In der Nacht vom 8. auf den 9. April ließen sie nicht nur 13 Pkw in Flammen aufgehen. In einem Nachbarort wenige Kilometer weiter besprühten sie den Kleinwagen eines bekannten FN-Mitglieds in roter Farbe mit Hakenkreuzen und dem Slogan "FN-freie Zone". Das sollte zusätzlich den Eindruck erwecken, linke Gewalttäter steckten hinter den Anschlägen. Die Klage über die wachsende, angeblich von Zuwanderern ausgehende Kriminalität und die scheinbare Ohnmacht der Ordnungskräfte gehört seit Jahren zum Standardrepertoire des FN.

Der Front National als Opfer. Diese Spur hatte Desport - bis Oktober vorigen Jahres immerhin stellvertretender FN-Chef im Départment Seine-et-Marne und noch im Frühjahr Ersatzkandidat bei den Wahlen zum Kreistag - schon am 26. März legen wollen. Da erstattete Desport bei der Polizei Anzeige gegen unbekannt: Er behauptete, von linken Gegnern beim Plakatkleben mit einer Tränengasgranate angegriffen worden zu sein. Ein Kumpel bezeugte die Lüge. Bei einer Hausdurchsuchung diese Woche fanden Beamte nun mehrere Granaten, Handschellen und eine Pistole für Gummigeschosse.

Auf die Spur des biederen, etwas pausbäckigen Brandstifters kam die Kriminalpolizei nach Hinweisen aus der Zentrale des Front National. Eine FN-Anhängerin hatte Desport bei der Parteiführung angezeigt - und als sich die Indizien für das Doppelspiel des Funktionärs mehrten, ließ FN-Chefin Marine Le Pen die Polizei informieren. Adrien Desport wähnte sich bis zuletzt sicher: Während er am 6. Juni im Gang des Polizeikommissariats auf seinen Termin wartete, stellte er ein Selfie von sich ins Netz und twitterte, er werde gleich "als Zeuge gegen eine Bande von Jugendlichen" aussagen.

Der FN will Desport ausschließen. Dennoch muss sich die Partei Fragen gefallen lassen, wie so ein dermaßen instabiler Charakter Parteiämter bekleiden konnte. Die Partei, inzwischen 80 000 Mitglieder stark, erfreut sich eines enormen Zulaufs. Zugleich werden immer wieder Skandale über antisemitische oder antimuslimische Aussagen ihrer Mitglieder bekannt. Erst diese Woche wurden 16 Personen ausgeschlossen, die bei den Départmentswahlen mit rassistischen Sprüchen aufgefallen waren.

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