Frankreich:Der Fanatiker unter den Terroristen

Lesezeit: 2 min

Frankreich macht mutmaßlichem IS-Kämpfer Benghalem in Abwesenheit den Prozess.

Von Christian Wernicke, Paris

Niemand in Paris hat damit gerechnet, dass der Hauptangeklagte zum Prozess erscheinen würde: Salim Benghalem, 36 Jahre alt und seit zwei Jahren fanatischer IS-Terrorist, fehlte, als am Dienstagnachmittag im Justizpalast von Paris das Strafverfahren gegen sieben Mitglieder eines mutmaßlichen Dschihadisten-Netzwerks begann. Benghalem wird vorgeworfen, vier Kumpel nach Syrien in den Krieg gelockt zu haben. Das Verfahren widmet sich einem eher banalen Teil dessen, was dieser Islamist angerichtet haben soll: Der mutmaßlich höchstrangige Franzose in den Reihen der IS-Miliz gilt den Geheimdiensten als Totschläger, als Henker - und als potenzieller Massenmörder.

Der Franzose gehört mittlerweile zu den zehn meistgesuchten Terroristen, die derzeit die Vereinigten Staaten weltweit jagen. Und auch Benghalems eigener Präsident François Hollande will seinen Tod: Die Bombenangriffe der französischen Luftwaffe am 8. Oktober auf IS-Lager in Syrien zielten vor allem auf diesen vollbärtigen Mann.

Benghalems Weg in den Terror begann in einer Neubausiedlung von Cachan, einem Vorort südlich von Paris. Er startete mit kleinen Diebstählen, wuchs heran zum Drogendealer, war mit Anfang 20 in Bandenkriege und einen Mord verwickelt. Dafür saß Benghalem sechs Jahre im berüchtigten Großknast von Fresnes bei Paris, wo er einen Mitbegründer der - heute berüchtigten - islamistischen Bande von "Buttes-Chaumont" kennenlernte: Zu diesem Zirkel zählte auch Chérif Kouachi, einer der beiden Terrorbrüder, die im Januar dieses Jahres das Blutbad in der Redaktion von Charlie Hebdo angerichtet haben.

Benghalem hat das Attentat seiner "Brüder" im Februar in einem IS-Video gepriesen. Ob er der Auftraggeber war, ist unklar. Im Geiste jedoch war er bei den Morden dabei. Schon 2011 war er mit einem der Kouachi-Brüder nach Jemen gereist, um sich dort in einem Al-Qaida-Camp ausbilden zu lassen. 2013 ging der Vater zweier Kinder nach Syrien, wechselte nach wenigen Monaten ins Lager des Islamischen Staats. Dort soll er, so die Einschätzungen des Geheimdiensts, Karriere gemacht haben. Er führte die Verhöre mit vier französischen Journalisten, die der IS von Juni 2013 bis April 2014 einkerkerte. Und er soll - "als Mitglied der Islamischen Polizei des IS" - sich mindestens einmal als Henker bei einer Massenexekution verdungen haben.

"Bombenattentate sind längst nicht mehr aktuell - jetzt sind Gemetzel in Serie angesagt"

Bisher haben die Sicherheitsdienste keine Beweise, dass Benghalem als Drahtzieher bei den Attentaten vom 13. November eine Rolle spielte. Dennoch fürchtet Paris diesen Mann. Im Januar 2014 nämlich nahm die Polizei seine Ehefrau fest, die aus Syrien zurückgekehrt war. Die damals 25-Jährige erzählte in Vernehmungen, ihr Mann träume davon, in Frankreich Terror zu verbreiten. Benghalem habe ihr gesagt, "dass Bombenattentate längst nicht mehr aktuell sind - jetzt sind Gemetzel in Serie angesagt".

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: