Frankreich:Botschaft an die Kollegen

Frankreich: Konvoi in den Krieg: Französische Kampfflugzeuge machen sich auf den Weg nach Syrien.

Konvoi in den Krieg: Französische Kampfflugzeuge machen sich auf den Weg nach Syrien.

(Foto: AP)

Der französische Präsident François Hollande lässt in Syrien IS-Stellungen bombardieren - weniger aus militärischem als aus politischem Kalkül.

Von Christian Wernicke, Paris

Unter all den Dingen, mit denen sich ein französischer Präsident auf internationaler Bühne Gehör verschaffen kann, wählte François Hollande das drastischste Mittel: Bomben. Stolz blickte der Franzose drein, als er am Sitz der Vereinten Nationen in New York verkündete, die Attacken seiner Luftwaffe hätten ein mutmaßliches Ausbildungslager der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) "in seiner Gesamtheit zerstört". Dabei war die Aktion vom Sonntag militärisch wenig sinnvoll. Frankreich allein kann nichts gewinnen in Syrien, schon gar keinen Krieg. Der Bombenhagel, räumen Generäle wie Élysée-Berater in Paris offen ein, diente einem weltpolitischen Zweck: Einen Tag vor dem amerikanisch-russischen Gipfeltreffen wollte Hollande seine Kollegen Barack Obama und Wladimir Putin daran erinnern, dass Frankreich mitspielt im Nahen Osten.

Denn Hollande steckt in der Klemme. Der Präsident, der seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs stets zu den härtesten Gegnern von Machthaber Baschar al-Assad zählte, musste in den letzten Wochen staunend mit ansehen, wie das brutale Regime in Damaskus wieder politisches Terrain gewann. Der stete Vormarsch der IS-Milizen und Moskaus Vorstoß für eine internationale Anti-Terror-Allianz drohte den Paria Assad wieder halbwegs hoffähig zu machen - und Paris zu isolieren. Hollande musste seinen Kurs korrigieren: Anfang September verkündete der Mann im Élysée, der Sturz des Diktators sei nicht länger Vorbedingung jedweder Verhandlungen. Vielmehr könne dessen Ablösung nun später "während des Übergangsprozesses" zu einer Befriedung erfolgen. Hollande, der Kriegsherr der Lüfte, klang in New York konzilianter denn je: "Frankreich redet mit jedem, wir schließen niemanden aus." Zwar betonte der Präsident, Syrien könne "keine Zukunft" haben mit Assad. Aber im Umkehrschluss heißt das: Gegenwärtig arrangiert sich Paris. Hollande will Assad nunmehr "neutralisieren", sprich entmachten und im Exil davonkommen lassen. Den größten Teil seiner UN-Rede am Montag widmete Hollande eh dem Weltklima. Paris ist im Dezember Gastgeber der wichtigen UN-Konferenz.

Dennoch, wider Willen hilft Frankreich nun sogar Syriens Diktator. Denn die Luftangriffe auf die IS-Milizen schwächen Assads momentan gefährlichsten Feind. In der ostsyrischen Wüstenstadt Deir ez-Zor zum Beispiel, auf die fünf französische Rafale-Jets am Sonntagmorgen ihre Bomben warfen, halten Regierungstruppen noch immer den Flughafen besetzt. Der Rest der Stadt fiel längst in die Hände des IS. Im Viertel Rouaich Saqar sollen noch vor kurzem etwa 40 französische Staatsangehörige gelebt und ihr Terrorhandwerk gelernt haben. Diese "französische Brigade", angeblich angeführt vom französischen Gotteskrieger Abou Omar, war ein Grund, warum Paris hier angriff: "Selbstverteidigung" gegen heimkehrende IS-Terroristen lautet Frankreichs völkerrechtliche Rechtfertigung für seine Luftschläge.

Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian betont, Frankreich wähle seine Ziele in Syrien völlig autonom. Anders als bei den Luftangriffen im Irak sieht sich Paris in Syrien nicht als Teil einer Koalition mit Amerikanern und Briten. Immerhin, die Nato-Partner informieren sich über ihre Aktionen im syrischen Luftraum - eine Schutzmaßnahme, die Frankreichs Piloten vor "friendly fire" schützen soll. Gegenüber den russischen Truppen im Land oder der syrischen Regierungsarmee lehnt Paris einen solchen Informationsaustausch strikt ab. Noch.

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