Frankreich:Auf der Suche nach Plan B

Ein altes Interview seiner Frau bringt Francois Fillon in Bedrängnis. Die Mehrheit der Wähler wendet sich vom Präsidentschaftskandidaten ab.

Von Christian Wernicke, Paris

Penelope Fillon hätte schweigen dürfen, damals wie heute. Dieser Tage verweigert die erblasste Ehefrau von François Fillon, dem in Bedrängnis geratenen Präsidentschaftskandidaten der französischen Republikaner, jedes Interview. Und niemand weiß, was Penelope Fillon den auf Finanzaffären und Korruption spezialisierten Staatsanwälten anvertraute, die sie wegen des Verdachts der Veruntreuung öffentlicher Mittel vorigen Freitag vernommen haben. Aber nun kommt raus: Sie hat geredet. Schon vor Jahren, ohne Not. Und eindeutig.

Ein Interview seiner Frau aus dem Jahr 2007 bringt den Kandidaten in Bedrängnis

"Ich bin niemals seine Assistentin gewesen", hat Penelope Fillon gesagt. Der kurze Satz könnte ihren Mann, den straucheln-den Bewerber fürs höchste Staatsamt, endgültig aus der Bahn werfen. Denn das Zitat widerspricht den vielen Beteuerungen, mit denen François Fillon seit Beginn der Affäre vor zehn Tagen den Verdacht der mutmaßlichen "Scheinbeschäftigung" seiner Frau abstreitet. Fillon hatte aufgezählt, was seine "Penny" alles für ihn getan habe: Reden redigiert, Besucher empfangen, öffentlich an seiner Stelle aufgetreten, die Presseschau verfertigt. Und nun dieser banale Satz: "Ich bin nicht seine Assistentin gewesen, oder sonst etwas in der Art." Später fügte sie noch hinzu: "Ich hab' mich auch nicht um seine Kommunikation gekümmert."

Gefallen sind diese Sätze bereits Mitte Mai 2007. Damals hatte Präsident Nicolas Sarkozy soeben ihren François zum neuen Premierminister von Frankreich berufen. Fillons Stern stand hoch, und dem britischen Sunday Telegraph gelang es, ein Interview mit der Frau des Regierungschefs - einer gebürtigen Waliserin - zu ergattern. Penelope Fillon schwärmte vom Leben in der Provinz und bekannte, wie unwohl sie sich im mondänen Paris fühlte. Nebenbei streute sie ein paar Bemerkungen über ihre berufliche Situation ein ("Ich bin eine Bäuerin vom Land.") Und: "niemals Assistentin". Die Zitate gerieten in Vergessenheit, denn der schreibende Journalist hielt sie für unwichtig.

Francois Fillon, member of Les Republicains political party and 2017 presidential candidate of the French centre-right, and his wife Penelope attend a political rally in Paris

Teure Gattin: Penelope Fillons Rolle könnte ihren Mann alles kosten.

(Foto: Pascal Rossingol/Reuters)

Nur gab es ein Video vom Gespräch - und das haben französische Journalisten nun wieder ausgegraben. Am Donnerstagabend strahlte der öffentliche TV-Kanal France 2 die Passagen aus, in seinem investigativen Magazin "Envoyé spécial" zur besten Sendezeit. Vorab verbreitete der Sender seinen Scoop, Fillon macht Quote dieser Tage.

Der Anwalt von Penelope Fillon erklärte am Donnerstag, die besagten Passagen seien aus dem Zusammenhang gerissen. Sie habe der Justiz Informationen übergeben, mit denen sie "die Existenz einer tatsächlichen Beschäftigung nachweisen" könne.

Die wiederentdeckten Worte seiner Frau waren nicht die einzigen schlechten Nachrichten für François Fillon. Am Donnerstag weitete die Staatsanwaltschaft die alten Ermittlungen aus. Nun sollen auch die beiden ältesten Kinder der Fillons als Zeugen vernommen werden. Tochter und Sohn hatten 2005 bis 2007 nacheinander für den Vater, der damals Senator war, als Rechtsberater gearbeitet - und dafür monatlich brutto 3773 bis 4846 Euro erhalten. Der Staatsanwalt will nun wissen, was sie für das Geld getan haben. Derweil stellen immer mehr Wähler infrage, ob Fillon noch ein tragfähiger Kandidat fürs Präsidentenamt ist: 69 Prozent der befragten Franzosen antworteten mit "Non".

Ebenso wachsen die Zweifel an Fillon in den Reihen seiner eigenen Parteifreunde. Dennoch, Fillon trotzte. "Kein Abgeordneter kann das Votum von vier Millionen infrage stellen", sagte der Kandidat. Der Ver-weis auf die Urwahl von Ende November, die ihn damals zum Helden der französischen Rechten gekürt hatte, war als Gegenangriff gemeint.

Nur, was dann - und wer? Anhänger von Alt-Präsident Sarkozy schwebt vor, einen Ersatzkandidaten per Abstimmung im nationalen Parteirat zu bestimmen. Dort rechnet man sich offenbar Chancen aus, den ehemaligen Wirtschaftsminister François Baroin durchsetzen zu können. Baroin, der noch am vergangenen Sonntag bei einer Großkundgebung am Rande von Paris eine flammende Rede für Fillon gehalten hat, lässt intern seit Tagen sein brennendes Interesse durchblicken. Andere Republikaner suchen den Retter der Partei in Bordeaux. Dort, wo Alain Juppé Bürgermeister ist, der Zweitplatzierte der Stichwahl im November. Aus dem Rathaus der südfranzösischen Hafenstadt raunt es, man habe seit dem Wochenende "Hunderte E-Mails" erhalten, in denen Landsleute den Ex-Premier zur Kandidatur drängten. Juppé selbst sagte, er stehe nicht zur Verfügung "als Plan B". Noch nicht.

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