Frankreich:Angriffe auf Macrons Glaubwürdigkeit

Frankreich: Der 39-jährige Macron stürmte mit seiner Politbewegung En Marche für alle überraschend, hinter Le Pen an die zweite Stelle.

Der 39-jährige Macron stürmte mit seiner Politbewegung En Marche für alle überraschend, hinter Le Pen an die zweite Stelle.

(Foto: AP)
  • Emmanuel Macron hat den Umfragen zufolge gute Chancen in die Stichwahl zur Präsidentschaft zu gelangen und dort klar gegen Le Pen zu siegen.
  • Macrons Gegner schalten nun auf Angriff. Sie werfen ihm ein fehlendes Programm vor und unterstellen ihm ein Doppelleben.

Von Stefan Ulrich

Emmanuel Macron verhält sich im französischen Präsidentschaftswahlkampf wie ein cleverer 5000-Meter-Läufer. Nach dem Start zurückliegend, hielt er sich auf einer Mittelbahn und beobachtete die vor ihm liegenden Gegner: Der Front National lief mit Marine Le Pen auf der rechten Außenbahn und ging rasch in Führung. Ganz links trabten einige unbedeutendere Figuren, denen bald die Luft ausgehen würde. Die linke Mitte und die rechte Mitte hielten die Sozialisten und die Republikaner besetzt. Da war für Macron kaum ein Durchkommen.

Dann machten die Republikaner François Fillon zu ihrem Kandidaten, und der zog sofort von der Mitte nach rechts. Bald darauf bestimmten die Sozialisten Benoît Hamon zu ihrem Mann, der nach links ausscherte. Auf einmal stand die Mitte offen. Der 39-jährige Macron stürmte mit seiner Politbewegung En Marche durch die Lücke und setzte sich, für alle überraschend, hinter Le Pen an die zweite Stelle.

Weil dann auch noch Fillon wegen einer Finanzaffäre aus dem Tritt kam, konnte Macron seinen zweiten Platz festigen. Dieser würde reichen, um in die Stichwahl zur Präsidentschaft am 7. Mai zu gelangen. Dort würde Macron, so verheißen es die Umfragen, klar gegen Marine Le Pen siegen, weil viele gemäßigt linke und rechte Franzosen lieber ihn als die Front-Frau wählen würden.

Ist also schon klar, dass Macron, der erst 2014 als Wirtschaftsminister in die Politik ging, neuer Präsident wird? Nein. Das Rennen befindet sich längst nicht auf der Schlussgeraden. Es sind noch viele Runden durchzustehen. Macron kann wieder von seinem zweiten Platz verdrängt werden.

Macron spricht viel von "Hoffnung" und "Zukunft"

Nun ist der smarte, beredte und gewandte Elite-Schüler, Ex-Banker und Self-Made-Millionär allerdings schwer einzuholen. Seine Wahlversammlungen sind überfüllt, viele von der Politik deprimierte Franzosen sehen in ihm den "neuen Mann", der, unabhängig von dem verfilzten Pariser Machtkartell, das Land reformieren, einen und zum Erfolg führen könnte. Macron nährt diese Stimmung, indem er, wie einst Barack Obama, viel von "Hoffnung" und "Zukunft" spricht. Damit setzt er sich von Le Pen, Fillon, Hamon und anderen ab, die hingebungsvoll den Niedergang Frankreichs bejammern.

Was also sollen Macrons Gegner tun, wenn sie ihn nicht aus eigener Kraft einholen können? Sie könnten ihm Knüppel zwischen die Beine werfen. Genau das wird gerade getan. Auf dem ersten Knüppel steht: Macron hat kein Programm. Tatsächlich sind seine politischen Pläne noch vage. Bis März will er sie ausbuchstabieren. So lange können seine Gegner ihm noch vorwerfen, er rede nur schön daher.

Knüppel zwei trägt die Aufschrift: Macron ist ein Bückling der Banken, eine Marionette des US-Kapitals. Vor einigen Tagen veröffentlichte die kremlnahe russische Zeitung Iswestija ein Interview mit Julian Assange, dem Gründer von Wikileaks. Darin sagte Assange, er besitze E-Mails der früheren US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton mit "interessanten Informationen" über Macron.

Kurz zuvor hatte Wikileaks eine E-Mail aus dem Jahr 2015 veröffentlicht, in der es um ein Treffen Macrons, Clintons und anderer Politiker ging, bei dem über die Globalisierung gesprochen werden sollte. Das Thema wurde von dem staatsfinanzierten russischen Auslandssender RT (früher Russia Today) aufgenommen und verbreitete sich in den sozialen Netzwerken.

Marine Le Pen will Frankreich aus EU und Nato führen

Nun schaltete sich der republikanische Abgeordnete Nicolas Dhuicq ein, der Fillon nahesteht und Sekretär der französisch-russischen Freundschaftsgruppe in der Nationalversammlung ist. Dhuicq sagte der französischen Ausgabe des Nachrichtenportals Sputnik, das ebenfalls vom russischen Staat finanziert wird, Macron habe "im Lauf seiner ganzen Karriere als Agent des großen amerikanischen Bankensystems agiert". Als Wirtschaftsminister habe er sich für die Globalisierung eingesetzt und den Verkauf französischer Konzerne an US-Unternehmen erleichtert.

Haben russlandnahe Kräfte etwas gegen Macron? Der Kandidat setzt sich für eine enge Zusammenarbeit Frankreichs mit Deutschlands und eine Stärkung der EU ein. Marine Le Pen will Frankreich dagegen aus EU und Nato führen und ein enges Verhältnis mit Moskau eingehen. Ihr Front National hat einen Millionenkredit von einer russischen Bank bekommen. Fillons Äußerungen zur EU sind ambivalent, mal will er sie festigen, mal Macht an die Nationalstaaten zurückverlagern. Putin kennt er gut, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland hält er für falsch.

Dritter Knüppel. Aufschrift: Doppelleben. Der Abgeordnete Dhuicq, der von Beruf Psychiater ist, vermeinte im Gespräch mit Sputnik, noch einen anderen Schwachpunkt Macrons entdeckt zu haben: Zu dessen Unterstützern gehöre der Unternehmer Pierre Bergé. Dieser "ist offen homosexuell und befürwortet die Homo-Ehe". Hinter Macron stehe eine mächtige "Schwulen-Lobby". "Das sagt alles."

Macron ist mit seiner früheren Lehrerin verheiratet

Was das alles sagt, sagte Dhuicq nicht. Welcher Wähler sollte sich auch an der vorgeblichen Homosexualität Macrons stören? Auch Dhuicq dürfte wissen, dass er damit allein Macron kaum schaden kann. Es geht denn auch um etwas anderes - um ein angebliches Doppelleben des Kandidaten, über das in Paris seit Langem getuschelt wird. Auf der Suche nach einem möglichen Schwachpunkt Macrons stießen seine Gegner auf dessen Ehe.

Macron ist mit seiner früheren Lehrerin Brigitte Trogneux verheiratet, die 24 Jahre älter ist als er. Manche seiner Gegner finden das offenbar verdächtig. Sie suggerieren, die Ehe sei nur Fassade. Dahinter habe Macron eine Beziehung mit einem Mann, wobei gern Mathieu Gallet, der Generaldirektor von Radio France, genannt wird.

Angegriffen wird also die Glaubwürdigkeit des Kandidaten. Doch der hat darauf jetzt mit Humor reagiert. Seinen Anhängern rief er zu, seine Frau teile sein ganzes Leben mit ihm. Und er könne sich ja nicht verdoppeln. "Wenn man euch sagt, ich führe ein Doppelleben mit Mathieu Gallet oder irgendeinem anderen, so ist das mein Hologramm, das mir entwischt ist. Ich selbst kann es nicht sein."

So läuft Macron weiter, dem Élysée-Palast entgegen. Bis er dort ankommt, werden seine Gegner noch weitere Knüppel für ihn finden.

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