Frankreich:Angriff des Ziehsohns

Der französische Ex-Minister Emmanuel Macron macht keinen Hehl mehr daraus: Er will seinen einstigen Mentor François Hollande beerben. Macron ist beliebt, kann sich mithilfe reicher Freunde finanzieren - fehlt nur noch ein Wahlprogramm.

Von Leo Klimm, Paris

Frankreichs populärer Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron verhehlt nicht mehr, dass er seinen einstigen Mentor François Hollande als Staatschef ablösen will. Ein Sprecher dementierte am Dienstag zwar einen Bericht, demzufolge Macron schon beschlossen habe, bei der Präsidentenwahl im April 2017 anzutreten. Der Sprecher ließ aber erkennen, dass Macron kandidieren werde, falls er eine Chance für sich sehe. "Er ist dabei, die Entscheidung zu wägen", so der Sprecher. "Wenn er sich für die Kandidatur entscheidet, wird er das bis 10. Dezember verkünden." Angesichts intensiver Vorbereitungen auf die Wahlkampagne, die Macron im Hintergrund schon betreibt, wäre es überraschend, sollte der 38-jährige Ex-Investmentbanker nicht antreten.

Macrons Plan schwächt Hollande weiter. Der sozialistische Präsident hat keine gute Bilanz vorzuweisen und ist in Umfragen weit abgeschlagen. Er musste bereits in eine parteiinterne Vorwahl einwilligen. Nach bisherigem Stand will er ebenfalls im Dezember verkünden, ob er antritt. Macrons unverhohlener Versuch, Hollande abzuschrecken, bringt diesen unter Zugzwang: Er muss sich möglichst vor seinem zum Rivalen gewandelten Ex-Minister erklären. Macron ist zwar parteilos - seine im Frühjahr gegründete Bewegung "En Marche!" will Wähler und Politiker von links wie rechts zusammenführen. Im Kern zielt er aber auf dieselben Mitte-links-Wähler wie Hollande. Im Gegensatz zu Hollande gehört er jedoch zu den beliebtesten Politikern des Landes. Manche Umfragen sehen ihn als aussichtsreichsten Anwärter links der konservativen Republikaner.

Emmanuel Macron, former French economy minister and head of the political movement 'En Marche' or 'Forward', delivers a speech during a meeting in Paris

Emmanuel Macron spricht auf einer Versammlung der von ihm geführten Bewegung "En Marche".

(Foto: Jacky Naegelen/Reuters)

Sein neoliberales Image versucht er mit gelegentlicher Kapitalismus-Kritik loszuwerden

Macron, der Hollande mangelnden Reformmut vorhält, war Ende August als Minister zurückgetreten, um "Freiheit zurückzugewinnen". Schon damals erklärte er: "Ich sehe keine äußeren Bedingungen für meine Kandidatur." Seit Wochen absolviert er politische Auftritte im ganzen Land und baut "En Marche!" weiter auf. Ende Oktober gab er der Bewegung Strukturen mit Gremien von der nationalen bis zur lokalen Ebene. Da "En Marche!" keine Parteienfinanzierung erhält, ist Macron allein auf Spenden angewiesen. Der wirtschaftsfreundliche Politiker hat allerdings zahlreiche vermögende Freunde. Er hat bereits 2,8 Millionen Euro eingesammelt. Neben finanzieller Hilfe benötigt er ein Minimum an Unterstützung aus dem politischen Establishment. Abgesehen von einigen Parlamentariern vom Reformflügel der Sozialisten ist die zwar noch rar. In Macrons Umfeld zeigt man sich dennoch zuversichtlich, dass sich ihm weitere Abgeordnete der Linken und der Zentristen anschließen, wenn er antritt. Als Präsident bräuchte Macron bei der Parlamentswahl im Juni eine Mehrheit - sonst wäre er machtlos.

Ein Wahlprogramm fehlt ihm bisher auch. In einem Interview will er diese Woche angeblich Eckpunkte vorstellen. "Das Programm wird sich um Bildung und Arbeit drehen", so ein Vertrauter - klassische sozialliberale Themen also. Stichpunktartig hat Macron etwa schon erklärt, dass er die Arbeitslosenversicherung über Steuermittel finanzieren will anstatt über Beiträge. Als Wirtschaftsminister hatte er Tabus der Linken gebrochen, indem er die gesetzliche 35-Stunden-Woche oder die Vermögenssteuer in Frage stellte. Inzwischen versucht der Ex-Banker, sein neoliberales Image mit gelegentlicher Kapitalismuskritik zu korrigieren.

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