Fragen und Antworten:So hat die SZ die US-Waffenlieferung nach Syrien rekonstruiert

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Die Airbase in Ramstein ist das Hauptquartier der United States Air Forces in Europa.

(Foto: AFP)
  • Die Süddeutsche Zeitung hat während ihrer Recherche unter anderem mit Whistleblowern und Experten gesprochen.
  • Die US-Behörden erklärten auf Anfrage, es würden derzeit keine für Syrien bestimmten Waffen in Deutschland gelagert oder via Deutschland dorthin geliefert.
  • Die Bundesregierung wusste nach eigenen Angaben nichts von den mutmaßlichen Waffenlieferungen.

Von Frederik Obermaier

Auf welchen Quellen basieren die Recherchen?

Die Recherche, wonach das US-Militär offenbar Stützpunkte in Deutschland genutzt hat, um Waffen an syrische Rebellen zu liefern, fußt auf Gesprächen mit Whistleblowern und Experten, internen E-Mails des US-Militärs sowie offiziellen Berichten und Datenbanken wie etwa dem United Nations Register of Conventional Arms - und dem Federal Procurement Data System.

Die USA veröffentlichen in der Datenbank des Federal Procurement Data Systems alle Zuschläge für Staatsaufträge, deren Volumen 3000 Dollar übersteigt. Aus mehreren Einträgen ging hervor, dass das US-Militär Waffen und Munition aus Osteuropa aufgekauft hat - auch der spätere Einsatzort wurde genannt: Syrien. Von einem Reporter dazu befragt, wurden die entsprechenden Einträge gelöscht.

Interne Unterlagen der aserbaidschanischen Fluggesellschaft Silk Way, die "Anonymous Bulgaria" jüngst veröffentlicht hat und die Informationen zu Transportflügen für das US-Militär enthielten, vervollständigten das Bild und deckten sich mit den Angaben weiterer Informanten.

Mit welchen Medien hat die SZ kooperiert?

Es handelt sich um eine gemeinsame Recherche der SZ mit den Journalistenkollektiven OCCRP und BIRN. Mit dem OCCRP hat die Süddeutsche Zeitung bereits bei den Panama-Papers und bei den sogenannten Laundromat-Enthüllungen zusammengearbeitet.

Was ist das OCCRP?

Das Organized Crime and Corruption Reporting Projekt (OCCRP) ist ein Netzwerk investigativer Journalisten mit dem Fokus auf Osteuropa und Russland. Es wird unter anderem von einer Stiftung des US-amerikanischen Investors George Soros, dem US-Außen- und Entwicklungshilfeministerium sowie von Google finanziell unterstützt. Das OCCRP hatte 2016 unter dem Titel "Making a Killing" erstmals über Waffenlieferungen aus Europa an syrische Rebellen berichtet.

Was ist das BIRN?

Das Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) ist ein Netzwerk investigativer Journalisten mit Fokus auf die Balkan-Staaten. Zu den BIRN-Unterstützern zählen unter anderem die EU-Kommission, Großbritanniens Botschaften in Serbien und Bosnien-Herzegowina, die niederländische Botschaft in Kroatien, die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung sowie eine Stiftung des US-amerikanischen Investors George Soros, die OSZE, Reporter ohne Grenzen sowie die US-Botschaften in Mazedonien und Albanien.

Die Bundesregierung streitet Kenntnisse der Vorgänge ab

Was sagen die US-Behörden zu den Enthüllungen?

Das Pentagon erklärte auf Anfrage, sich an die Gesetze und Regularien der jeweiligen Länder zu halten, in denen die Stützpunkte liegen. Fragen zu konkreten Vorwürfen ließ das US-Verteidigungsministerium unbeantwortet.

Eine Sprecherin des für die Waffenlieferungen zuständigen Special Operations Command (Socom) erklärte auf Anfrage, es würden derzeit keine für Syrien bestimmten Waffen in Deutschland gelagert oder über amerikanische Militärstützpunkte in Deutschland geliefert. Man habe auch die Vertragslieferanten "ausdrücklich" informiert, dies nicht zu tun. Auf eine erste Nachfrage erklärte Socom, dass dies derzeit und "vor 2016" so gewesen sei. Die Antwort schloss also 2016 und Anfang 2017 nicht ein. Erst auf eine weitere Nachfrage erklärte eine Socom-Sprecherin, dass ihre Antwort auch für das Jahr 2016 gelte. Warum dies einen Tag vorher noch anders klang, ließ sie offen.

Besonders auffällig: Die Aussage von Socom bezog sich explizit nur auf "in Auftrag genommene Flüge Richtung Syrien". Ob auf anderem Weg Waffen an syrische Rebellen geliefert wurden, wollte die Sprecherin nicht beantworten.

Vor kurzem wurde bekannt, dass US-Präsident Donald Trump ein geheimes CIA-Programm zur Lieferung von Waffen an syrische Rebellen eingestellt hat. Sind die amerikanischen Waffenlieferungen gen Syrien also Vergangenheit?

Nein. Die Entscheidung Trumps betrifft lediglich ein vor vier Jahren gestartetes Projekt des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes. Ein anderes Programm läuft indes weiter: das sogenannte Train-and-Equip-Programm des Verteidigungsministeriums. Das US-Repräsentantenhaus hatte es 2014, also noch unter Präsident Barack Obama, auf den Weg gebracht.

Wusste die Bundesregierung von mutmaßlichen Waffenlieferungen an syrische Rebellen über US-Stützpunkte in Deutschland?

Nach eigenen Angaben nicht. So erklärte die Bundesregierung im Frühjahr 2017 auf eine Frage des Grünen-Abgeordneten Christian Ströbele, "keine Erkenntnisse" zu haben, "dass das Verteidigungsministerium Waffen und Munition in Mittel- und Osteuropa für Anti-IS-Kämpfer in Syrien aufkauft und über deutsche US-Stützpunkte liefert". Auch auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung erklärte das Auswärtige Amt, "keine eigenen Erkenntnisse über Waffenlieferungen der amerikanischen Streitkräfte an syrische Rebellen über US-Militärstützpunkte in Deutschland" zu haben. Die Bundesregierung habe "keine entsprechenden Genehmigungen erteilt".

Linken-Politiker Jan van Aken, ein ehemaliger UN-Waffenkontrolleur, kritisierte indes die Bundesregierung. Diese trage eine Mitverantwortung "für das freie Fluten von Waffen in den Nahen Osten". Es sei "Irrsinn", heute noch Waffen nach Syrien zu liefern. "In der Region mangelt es an allem, nur nicht an Waffen." "Schon wieder ist es Ramstein, über das die USA ihre schmutzigen Kriege in aller Welt organisiert, und schon wieder guckt die Bundesregierung ganz intensiv weg und will mit all dem nichts zu tun haben", kritisiert van Aken.

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