FPÖ-Chef Strache in Bedrängnis:"Ich war nie ein Neonazi"

Der rechtslastige Politiker Heinz-Christian Strache ist wegen Jugendfotos in Erklärungsnot geraten. Auf einem Bild zeigt er offenbar einen Neonazi-Gruß - dafür hat Strache eine kuriose Erklärung.

Von Michael Frank

Der Kongress der Weißwäscher dauerte kaum eine Stunde. Heinz-Christian Strache, Vorsitzender der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), hatte in Wien Freunde und Medienvertreter zusammengetrommelt, um eine "Grundsatzerklärung" zu jetzt aufgetauchten Fotos aus Jugendtagen abzugeben:

Heinz-Christian Strache

Heinz-Christian Strache

(Foto: Foto: AFP)

Strache mit ausgewiesenen Neonazis in Kampfmontur im Gelände, Strache in vollem Wichs beim Zeigen des "Kühnen-Grußes" mit drei gereckten Fingern, der in Deutschland als Nazizeichen verboten ist. Ironisch sagte Strache, ihn würde nicht wundern, tauchte auch noch ein Bild auf, das ihn beim Hitler-Gruß zeigt.

Alles sei harmlos: "Ich war nie ein Neonazi und werde nie ein Neonazi sein", beteuerte Strache, der im vergangenen Herbst einen ausländerfeindlichen Wahlkampf inszeniert hatte, wie ihn das ohnehin fremdenscheue Österreich noch nie erlebt hat. Er sei "jung und suchend" gewesen, aber heute ein untadeliger Demokrat.

Nur ein Bier bestellt?

Zur Entlastung legte Strache auch Fotos des früheren deutschen Außenministers Joschka Fischer als schlagkräftigem Sponti vor. Das Foto von ihm mit dem Drei-Finger-Gruß sei eine Bierbestellung gewesen. Strache verglich die "Kampagne" gegen ihn mit Hetztiraden des Stürmers im Dritten Reich.

Verwundert hat seine Einlassung nicht. Verstört hat Österreich vielmehr die Reaktion von Sozialdemokraten (SPÖ) und Volkspartei (ÖVP), die in Wien wieder eine große Koalition bilden. Die ÖVP fand Straches Erklärung akzeptabel, sie komme nur zu spät. Freilich hat die ÖVP sieben Jahre lang mit dieser Partei beziehungsweise deren Ableger, dem Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) regiert. Selbst zu schlimmen Ausfällen des einstigen FPÖ-Chefs Jörg Haider schwieg Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel beharrlich. Nicht nur Strache nennt die Haltung der ÖVP heuchlerisch: In deren Parlamentsfraktionszimmer hängt noch immer das Portrait des Austrofaschisten Engelbert Dollfuß als Kanzler.

Milde Worte von der SPÖ

Auch der neue Bundeskanzler Alfred Gusenbauer von der SPÖ reagierte väterlich: Er werde niemandem irgendwelche "Jugendtorheiten" ein Leben lang nachtragen. Und SPÖ-Fraktionschef Josef Cap fand den Joschka-Fischer-Vergleich sehr passend. Nur müssten dem demokratischen Bekenntnis "Taten" folgen. Taten, die längst getan sind, mit dem Hasswahlkampf, mit den Angstparolen gegen jede andersartige Lebensweise. Erschrocken sind zahlreiche namhafte Mitglieder der SPÖ, die den ÖVP-FPÖ-Bund seit 2000 als bis dato schwerste moralische Krise im Nachkriegs-Österreich gegeißelt hatten. Ex-Innenminister Caspar Einem: "Wir sind den Überlebenden des Holocaust eine klare Antwort schuldig."

In der Israelitischen Kultusgemeinde ist man entsetzt. Leon Zelman, der mit seinem Jewish-Welcome-Service Verfolgte und Emigranten nach Österreich zurückgeholt und mit ihrer Heimat versöhnt hat, will aus der SPÖ austreten. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Ariel Muzicant, sieht in den Strache-Bildern eine Gesinnung des "nationalen Sozialismus, die dem Nationalsozialismus sehr nahe ist". Die SPÖ verrate in ihrer Reaktion ihre Grundsätze. Der neue Bundeskanzler reagiere wie der alte, so die oppositionellen Grünen. Über Nacht würden Kernpostulate der Sozialdemokraten politischem Opportunismus geopfert.

Kritik der Kommentatoren

Erschrocken über so viel Kritik legte Gusenbauer nach und warf Strache vor, sich nicht ausreichend von den "Jugendtorheiten" zu distanzieren. Gusenbauer befürchte, die FPÖ und das von ihr abgespaltene BZÖ könnten irgendwann doch wieder fusionieren, urteilen Österreichs Kommentatoren. Dann hätte die ÖVP wie bisher im Bunde mit den wiedervereinigten Rechtsradikalen die Mehrheit. Dann wäre es mit Gusenbauers Kanzlerschaft vorbei. Um das zu verhindern, behandele er Strache und die FPÖ mit demonstrativer Milde.

Die ÖVP wiederum will sich nach sieben Jahren lukrativer Zusammenarbeit mit der äußersten Rechten diese Option nicht nehmen lassen. Ihr gehe es darum, Empörung über die laue Haltung der SPÖ zu schüren und dieser so jede Möglichkeit aus der Hand zu schlagen, ihrerseits Bündnisse mit den "Schmuddelkindern" zu schließen, hieß es.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: