Fotografien weinender Soldaten:Bloß keine Schwäche zeigen

Porträtserie zum Thema wiedereingeführte Wehrpflicht in Litauen. Die abgebildeten Personen sind jedoch KEINE Soldaten, sondern nur Zivilisten im immer gleichen Armee-Hemd.

Neringa Rekašiūtė fotografierte Zivilisten wie Justa, 27, im Feldanzug.

(Foto: Neringa Rekašiūtė)

Eine junge Litauerin fotografierte 2015 weinende Männer in Uniform, um die damals plötzlich wiedereingeführte Wehrpflicht zu kritisieren. Sie traf einen Nerv - und galt plötzlich als Landesverräterin.

Von Frank Nienhuysen

Mit dem Sowjetstern hat sie die Männer zum Weinen gebracht, es ging ganz leicht. Für 1,36 Euro hat Neringa Rekašiūtė ihn in der Apotheke gekauft: eine Dose, klein und rund wie eine Münze, mit einem goldenen Stern drauf. Darin eine scharfe Erkältungssalbe mit Eukalyptus und Menthol, in Litauen als Sowjetstern bekannt. Die Fotografin hat sie den Männern direkt unter die Augen gerieben, schon kullerten die Tränen. Das aber war noch die geringere Wirkung. Die andere war ein Aufschrei, eine gesellschaftliche Debatte, mit der die 28 Jahre alte Litauerin nicht gerechnet hatte. Sie wurde als unpatriotisch beschimpft, auch eine Todesdrohung hat sie erhalten. Verbrennen solle man sie, das war die schärfste Reaktion, an die sie sich erinnern kann.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: