Fotografien:Ansichten der Bonner Republik

Helmut Schmidts politisches Leben in Bildern: Fotografen begegnete er manchmal raubeinig, aber auch ehrlich und unkompliziert.

Von Joachim Käppner

Präsenz - das war die Eigenschaft, die Helmut Schmidt noch in sehr hohem Alter ausstrahlte und die er zeit seines Lebens ausgestrahlt hatte. Bei Terminen in seinem Hamburger Büro musterte der alte Herr die Besucher durch die Rauchschwaden seiner Zigaretten hindurch so scharf und konzentriert, dass sie sich lieber sputeten, zum Punkt zu kommen. Präsenz strahlen auch die vielen Fotos aus, die aus diesem langen Leben überliefert sind. Schmidt wirkte beim Segeln so fokussiert wie auf der Regierungsbank; er mochte das Etikett des "Machers", das man ihm seit der Hamburger Sturmflut von 1962 immer wieder anhängte.

Manche der alten Bilder wirken heute schon ikonenhaft, wie jenes über den Moment, als er Waltrude Schleyer, der Witwe des von den RAF-Terroristen ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, auf dessen Trauerfeier in Stuttgart sein Beileid ausspricht. Schmidt und die Trauernde, eine Pietà aus den düstersten Tagen der alten Bundesrepublik, dem Deutschen Herbst 1977. Der Kanzler hatte sich geweigert, den Entführern nachzugeben, und diesen Entschluss mit aller Härte und gegen die Familie Schleyer durchgesetzt. Diese Härte, und das eigene Leid darüber, spiegelt sich wider in jener Aufnahme.

Schmidt konnte mitunter recht raubeinig gegenüber Reportern und Fotografen sein, dabei war deren Zahl in seiner vordigitalen Regierungszeit ja noch überschaubar. Die aufgesetzte Herablassung der Presse gegenüber, die sein Nachfolger Helmut Kohl dann pflegte, war dem SPD-Kanzler aber fremd. "Unkompliziert, aufrecht und geradeheraus" hat Jupp Darchinger, der bekannteste Fotojournalist der Bonner Republik, den Umgang Schmidts mit Fotografen genannt. In einem Bildband über Schmidt, der zahlreiche Darchinger-Aufnahmen zeigt ("Helmut Schmidt: Ein Leben in Bildern des Spiegel-Archivs", 2005) schreibt Mitherausgeber Robert Fleck: "Schmidts Kanzlerschaft und der politische Stil dieser Zeit ließen noch eine Nähe zwischen Fotograf und Porträtiertem zu", die es ermöglichte, einen "schnörkellosen und ,hautnahen' Bildstil zu erarbeiten".

Deshalb wirkt Helmut Schmidt auf vielen Fotos so authentisch: Die Inszenierungswelt der Kommunikationsexperten und Profilberater war seine nicht. So viel Zeit ist seither nicht vergangen. Und doch wirken die Bilder von damals wie Aufnahmen aus einer anderen Epoche, in der vieles nicht unbedingt besser, aber manches doch ehrlicher war.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: