Forschung:Klimawandel jetzt amtlich

Stürme und Dürren beschäftigen jetzt auch den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages: Er hat die extremen Wetterereignisse der vergangenen 20 Jahre zusammengestellt.

Von Jan Heidtmann

Der Mensch kann sich vieles merken, beim Wetter aber tut er sich schwer. Wenn Freunde und Bekannte dann trotzdem mit erstaunlichem meteorologischen Wissen aufwarten - "Weihnachten 2011 war ein Traumwinter", "der August vor X Jahren ein Sommermärchen" - hat das mit der Eigenart der Menschen zu tun, sich die Vergangenheit schönzudenken. Ein einziges weißes Weihnachtfest genügt da, um einen ganzen Winter als gelungen in Erinnerung zu behalten.

Deshalb ein kurzer Test, Winter 2012? Plus 20 Grad in München. Frühsommer 2014? Unwetter und Hagelstürme. Sommer 2015? Eine wochenlange Hitzewelle in ganz Deutschland. Andersherum gesagt: Das Wetter war schon lange nicht mehr das, was es mal war. Und wer das einfach nicht glauben mag, der hat es nun höchstamtlich: Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat in einer Studie die "Extremen Wetter- und Naturereignisse in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren" zusammengestellt.

Für das Kompendium, das die Grünen in Auftrag gegeben haben, trugen die Experten Daten über Temperatur und Niederschläge seit 1881 zusammen, werteten Berichte des Deutschen Wetterdienstes und von Versicherungsunternehmen aus. Darunter auch die Kosten, die den Versicherungen durch die Überschwemmungen im vergangenen Mai und Juni in Süddeutschland entstanden sind. Auf 1,2 Milliarden Euro beziffert sie der Versicherungsverband. Die Hitzewelle vom Sommer 2015, unter der weite Teile Europas litten, forderte wiederum mehr Todesopfer als jede andere Naturkatastrophe in diesem Jahr. Die Liste der klimatischen Unbill reicht bis 1997 zurück, während dieser Zeit sind über Deutschland nur in vier Jahren keine Sturzfluten, Hagelstürme oder Dürren hereingebrochen.

Wie dieses Wirrwetter zu deuten ist, das ist nicht nur bei Klimawandelleugner Donald Trump ("Wetter ändert sich nun mal") umstritten. Denn extreme Ereignisse gehören seit Menschengedenken zum Wetter. Ist es also Zufall, was sich da zusammengebraut hat? Oder muss die Wetterkarte umgeschrieben werden? "Die Klimakrise ist real und bedroht uns auch in Deutschland", sagt Oliver Krischer, Vize-Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag. "Wir sind mittendrin." Belege dafür liefert der Wissenschaftliche Dienst zuhauf. So gab es 1970 in Deutschland gerade einmal acht Stürme, Waldbrände oder andere Naturkatastrophen, 1990 waren es bereits um die 17, 2010 dann fast 30. Auch die Temperatur steigt stetig, die Zahl der Tage mit mindestens 30 Grad wuchs von durchschnittlich drei auf inzwischen acht im Jahr. Sechs der zehn wärmsten Tage seit 1881 liegen in diesem Jahrhundert, im vergangenen Sommer wurde mit 40,3 Grad eine Rekordtemperatur für Deutschland gemessen. Gleichzeitig nehmen die Tage ab, an denen es friert.

Vielleicht wird es in Zukunft nur noch zwei Jahreszeiten geben, so wie in den Tropen, einen Wühling und einen Serbst. Die Projektionen von 21 Klimamodellen für die Zeit bis 2100 zeigen jedenfalls, dass die Zahl der heißen Tage auf bis zu 20 steigen könnte und die der Eistage weiter abschmelzen wird. Für die Hobbymeteorologen beruhigend: Die Regenmenge wird gleich bleiben. Das kann man sich dann auch gut merken.

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