Obama zu Waffenkontrollen:"Schnellfeuergewehre gehören auf die Schlachtfelder"

Obama traut sich. Fast eine Woche nach dem Massaker in Aurora, Colorado, hat sich der US-Präsident endlich dazu durchgerungen, etwas zur Waffenkontrolle in den USA zu sagen. Seine Forderungen sind allerdings nicht neu - und so vorsichtig, wie es der Wahlkampf erfordert.

Markus C. Schulte von Drach

Fast eine Woche hat US-Präsident Barack Obama nach dem Massaker von Aurora zum Umgang mit Waffen in den USA geschwiegen. Das Gleiche gilt für seinen Herausforderer Mitt Romney. Es wurde gemutmaßt, dass dies für die Zeit des Wahlkampfes auch so bleiben würde - obwohl in der Stadt in Colorado in der Nacht zum vergangenen Freitag zwölf Menschen in einem Kino erschossen und 58 weitere verletzt wurden.

Das Thema ist heikel, jede Äußerung kann Wählerstimmen kosten. Doch nun hat Obama offenbar Mut gefasst und sich doch für bessere Kontrollen beim Waffenkauf ausgesprochen. Ein AK-47 - ein Sturm- beziehungsweise Schnellfeuergewehr sowjetisch-russischer Bauart, die Kalaschnikow - gehöre in die Hand von Soldaten, und nicht in die von Kriminellen, sagte er auf einer Veranstaltung in New Orleans am Mittwochabend.

Damit dürfte er keinen Widerspruch bei den meisten Besitzern von Waffen - auch von Schnellfeuergewehren - auslösen. Denn diese werden sich selbst nicht als Verbrecher betrachten und sich nicht betroffen fühlen.

Er gehe davon aus, dass viele Waffenbesitzer mit ihm übereinstimmen dürften, dass "wir alles tun sollten, um Kriminelle am Kauf von Waffen zu hindern", sagte Obama. Konkret regte er an, "zu überprüfen, ob jemand schon Straftaten begangen hat, bevor er sich in einem Waffengeschäft bedienen kann. Dass ein psychisch instabiler Mensch keine Gelegenheit haben darf, so leicht eine Waffe in die Finger zu kriegen."

Deshalb, so kündigte er an, werde er sich im Kongress bemühen, einen Konsens zu Maßnahmen zu erreichen, mit dem sich die Gewalt reduzieren lasse - auch wenn solche Initiativen dort bislang meist gescheitert seien. So machte der Präsident auch klar, dass es ihm nicht darum gehe, das Recht der US-Bürger, Waffen zu tragen, einzuschränken. Schließlich steht dieses Recht in der Verfassung.

Aber, so Obama, auch Waffenbesitzer würden ihm sicher zustimmen, dass Schnellfeuergewehre "auf die Schlachtfelder des Krieges gehörten, und nicht auf die Straßen unserer Städte".

"Ein mutiger Mann hätte den Amokläufer stoppen können"

Zwar sprach Obama es nicht aus, doch seine Äußerungen weisen deutlich darauf hin, dass er es begrüßen würde, wenn ein Verbot von Schnellfeuergewehren und Maschinenpistolen, halbautomatischen Waffen mit Magazinen mit mehr als zehn Schuss, wieder in Kraft gesetzt würde, das von 1994 bis 2004 galt. Obama hatte dies während des Wahlkampfs 2008 gefordert, sich seitdem aber nicht mehr dazu geäußert.

Das taten nach dem Massaker dann der demokratische Abgeordnete Ed Perlmutter aus Colorado und die demokratische Senatorin Dianne Feinstein aus Kalifornien.

Die entsprechenden "Maßnahmen sollten nicht umstritten sein, sondern dem gesunden Menschenverstand entsprechen", sagte Obama nun - und genau hier irrt er möglicherweise. Denn ausgerechnet der Amoklauf von Aurora weckt in manchen Amerikanern den Wunsch nach mehr Waffen in der Öffentlichkeit - nicht nach weniger.

Selbstverteidigung als Rechtfertigung

So behauptete etwa der Republikaner Russel Pearce, bis November Mitglied des Senats von Arizona, auf seiner Facebookseite: "Wäre jemand vorbereitet und bewaffnet gewesen, hätte man diesen schlimmen Menschen stoppen und einen großen Teil der Tragödie verhindern können." Nicht weil er bewaffnet war, wären Menschen gestorben, so Pearce, sondern weil er ein Bösewicht sei. "Alles, was nötig gewesen wäre, um ihn zu stoppen, ist ein mutiger, mental und auch sonst vorbereiteter Mann." Im Klartext: Ein bewaffneter Mann, der in der Lage ist, einen Angreifer zu erschießen.

In einem späteren Posting lamentierte Pearce darüber, dass "so viele Menschen entwaffnet und ungeschützt zurückbleiben sollen aufgrund von Waffenkontrollgesetzen, die versuchen, ein Gefühl von Sicherheit zu erzeugen durch Schilder, die "No Guns" fordern".

Er ist nicht allein mit dieser Haltung. Vertreter der Waffenlobby haben sogar schon versucht, den Betreibern des Kinos in Aurora, in dem der Amokläufer James Holmes um sich geschossen hat, eine Mitverantwortung zu geben: Wäre es erlaubt gewesen, Schusswaffen zu tragen, hätten sich die Besucher wehren können.

Diese Argumente sind Varianten der üblichen Rechtfertigung der National Rifle Association (NRA): Mit Hilfe von Waffen können Bürger Einbrecher und Räuber abschrecken und sich gegen solche Verbrecher wehren. Und Verbrecher, so heißt es bei den Lobbyisten, könnten sich schließlich illegale Waffen besorgen - Gesetze hin oder her. Das Gleiche gilt Pearce zufolge auch für Geisteskranke, gegen die man sich überall verteidigen können müsse.

Das Argument Selbstverteidigung leuchtet der Mehrheit der Amerikaner offenbar ein. Die meisten lehnen Gesetze ab, die den Besitz von Schusswaffen stark einschränken. In Colorado etwa, aber auch in anderen Bundesstaaten, haben am Wochenende nach dem Massaker von Aurora deutlich mehr Menschen eine Waffe gekauft als sonst üblich ist. Die Zahl derjenigen, die die für den Erwerb notwendige Überprüfung beantragt haben, sei ebenfalls deutlich gestiegen, berichtet die Nachrichtenagentur AP.

Allerdings hängt die Reaktion der Bevölkerung auf Gesetzesvorschläge auch davon ab, welche Einschränkungen diskutiert werden. So waren 2004 mehr als 60 Prozent der US-Bürger dafür, den Bann für Schnellfeuergewehre zu verlängern. Selbst Präsident George W. Bush hatte sich dafür ausgesprochen. Im Repräsentantenhaus und im Senat, die zu der Zeit von den Republikanern beherrscht wurden, gab es dafür jedoch keine Mehrheit.

In den Jahren danach feierte die Waffenlobby weitere Erfolge. So kippte der Supreme Court 2008 das strenge Waffenverbot, das seit 32 Jahren in Washington D.C. geherrscht hatte. Zuvor waren Handfeuerwaffen in Privathaushalten verboten, der Besitz von Gewehren erschwert.

Und 2010 erklärte ebenfalls der Oberste Gerichtshof, dass der 2. Verfassungszusatz, dem zufolge US-Bürger Schusswaffen besitzen und tragen dürfen, überall in den USA gilt. Das strenge Waffenverbot in Chicago, seit 1972 in Kraft, war damit verfassungswidrig. Beide Städte haben seitdem Regeln eingeführt, die den Besitz bestimmter Waffen zwar nicht verbieten, vor dem Erwerb jedoch eine Überprüfung des Käufers sowie eine Schulung fordern.

Auch die verschiedenen Bundesstaaten haben mehr oder weniger strenge Gesetze zur Regulierung der Waffenverkäufe eingeführt. So gilt vielerorts die sogenannte "Brady Bill", die 1994 auf Bundesebene eingeführt, 1997 vom Obersten Gerichtshof jedoch wieder kassiert wurde, in etlichen Bundesstaaten weiter: Eine Waffe wird erst nach fünf Tagen an den Käufer ausgehändigt, der in dieser Zeit von den Sicherheitsbehörden überprüft wird. In Massachussets unterzeichnete 2004 Mitt Romney, damals Gouverneur, ein Waffenkontrollgesetz, das den bundesweit aufgehobenen Bann für Schnellfeuergewehre in seinem Bundesstaat fortsetzte.

"Es geht nicht um Wafffen, sondern um kranke Menschen"

Die Maßnahmen, die Präsident Obama nach dem Massaker nun angesprochen hat, sind demnach weder neu, noch gehen sie über Gesetze hinaus, die vielerorts bereits gelten. Ob es dazu kommen wird, dass solche Einschränkungen landesweit gelten, ist fraglich. Bereits vor Obamas Rede hatte etwa der republikanische Senator aus Wisconsin, Ron Johnson, das übliche Argument geäußert: Es ginge nicht um Waffen, sondern um kranke Menschen. Die aber, so antwortete Senatorin Feinstein, benutzen die Waffen, die sie bekommen können.

Auch die Zahlen, die kürzlich Celeste Monforton von der George Washington University vorgestellt hat, werden bei den Waffenlobbyisten wohl keinen Anklang finden: Vergleicht man die Zahl der Schusswaffenopfer in den USA mit derjenigen in anderen Industrieländern, sieht man leicht, wie viele Leben eine strenge Waffenkontrolle retten kann - auch wenn Verbrecher sich vielleicht illegale Waffen besorgen können. Während in den USA jedes Jahr pro 100.000 Menschen etwa drei Personen Schusswunden erliegen, sind es in Kanada 0,5, in Italien 0,4, in Frankreich 0,23 und in Deutschland, Spanien und den Niederlanden 0,2.

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