Football:Ausgemustert

Eli Manning hat zwei Super Bowls gewonnen. Jetzt ist er degradiert worden. Über das unrühmliche Ende einer großen Karriere.

Von Christoph Leischwitz

Als Eli Manning sein erstes Spiel für die New York Giants bestritt, war US-Präsident George W. Bush wenige Tage zuvor wiedergewählt worden; der EM-Sieg Griechenlands lag ebenso kurz zurück wie der (vermeintliche) sechste Tour-de-France-Erfolg in Serie von Lance Armstrong. Der damals 23-jährige Manning war im Jahr 2004 in erster Linie einfach noch Sohn und Bruder. Sohn von Archie und Bruder von Peyton, der jüngste Spross einer einmaligen Quarterback-Familie. Eli durfte gleich in seiner ersten Profisaison raus aufs Feld. Er durfte sich austoben, er durfte ein Jahr später sogar richtig floppen, niemand nahm es ihm übel. Eli arbeitete sich aus den großen Fußstapfen heraus.

Anfang 2008 besiegte er in einem unvergessenen Finale die damals ungeschlagenen New England Patriots mit einer spektakulären Aufholjagd in den Schlussminuten. Unter anderem mit einem der berühmtesten Pässe der Footballgeschichte: Manning riss sich von mehreren Gegenspielern los, warf in Richtung seines Receivers David Tyree, der das Ei mehr mit seinem Helm als mit den Händen fing. Nach dem Spiel stand Manning in der Kabine und kämpfte mit den Tränen. Vier Jahre später besiegte er die Patriots noch einmal im Finale. Eigentlich ist Eli eine lebende, noch aktive Legende, auch wenn er nicht ganz die Strahlkraft eines Tom Brady besitzt.

Am Sonntagabend (22.30 Uhr MEZ) spielen die Giants bei den Oakland Raiders. Aber Manning wird zum ersten Mal seit dem 21. November 2004, nach 210 Spielen in Serie, nicht als Quarterback auflaufen. "Das ist schon ziemlich hart. Ein harter Tag", sagte der 36-Jährige in seinem ersten Statement am vergangenen Dienstag, sichtbar mit Tränen kämpfend. Dass kühle Taktik-Kalkulationen in einem milliardenschweren Business wie der NFL auch nicht vor großen Namen Halt machen, kommt immer wieder vor. Vor ziemlich genau einem Jahr zum Beispiel war die ewige Hoffnung der Dallas Cowboys, Tony Romo, mal wieder von einer Verletzung genesen. Und musste unter Tränen erklären, dass es wohl besser sei, wenn fortan der starke Rookie Dak Prescott weiterspielt.

Der verdienteste Spieler als Sündenbock

Zuletzt hatte Manning auch nicht gut gespielt, in den vergangenen zwei Wochen sogar richtig schlecht. Trotzdem hat seine Degradierung zum Ersatzmann, der jetzt im Training die jungen Quarterbacks betreut, für Empörung gesorgt. Der fast gleichaltrige Quarterback-Kollege Philip Rivers von den Los Angeles Chargers, der 2004 beinahe statt Manning nach New York gegangen wäre, bezeichnete die Entscheidung als "erbärmlich". Der ehemalige Giants-Spieler Michael Strahan findet es "einfach nicht richtig", dass ausgerechnet der verdienteste Spieler als Sündenbock für eine miese Team- und Trainerleistung herausgepickt wurde.

Rein sportlich ist es fragwürdig, auf Manning zu verzichten. Die Saison ist schon gelaufen, bei zwei Siegen und neun Niederlagen sind die Playoffs nicht mehr erreichbar. Der zweifache Super-Bowl-MVP wird aber nicht einmal durch ein aufstrebendes Talent ersetzt, das Spielpraxis sammeln soll. Sondern durch den 27-jährigen Geno Smith, der in seinen drei Jahren beim Stadtrivalen New York Jets vor allem durch Fehlwürfe und Disziplinlosigkeiten auffiel. Mit dieser Entscheidung wurde aus einer sportlichen Misere ein PR-Desaster für die Giants. Die Verpflichtung von Smith scharte dann sogar jene Fans hinter Manning, die bislang immer fanden, er solle seine Karriere beenden. Der New Yorker Radio-Moderator Mike Francesa nannte es "eine verzweifelte Aktion eines verzweifelten Menschen. Man kann Smith, diesen Clown, nicht schnell genug aus der Stadt jagen."

Elis großer Bruder Peyton gewann nach einem Vereinswechsel noch einen Meistertitel

Die meisten fanden aber sowieso, dass die schlechte Saison nicht Mannings Schuld war: Insgesamt sind oder waren schon 19 Spieler für längere Zeit verletzt, darunter die wichtigsten Passempfänger Odell Beckham Jr. und Brandon Marshall. "Niemand macht gerade einen guten Job", sagte Giants-Besitzer John Mara am Tag nach der Eli-Degradierung. Natürlich müsse man nach der Saison Personalentscheidungen treffen. Damit meinte er vermutlich den Chefcoach Ben McAdoo.

Dieser wiederum steht schon länger in der Kritik, während der Saison wurde er sogar anonym von Spielern kritisiert. Doch jetzt wächst auch die Verärgerung über Mara. New Yorker Medien berichteten, Mara und der Cheftrainer hatten sich vorab darauf geeinigt, Manning gegen Oakland eine Halbzeit spielen zu lassen und dann auszuwechseln. Beide hatten offensichtlich nicht damit gerechnet, dass Manning das Angebot ablehnen würde. Und so kam heraus, dass Mara vor der wegweisenden Entscheidung gar nicht persönlich mit Manning gesprochen hatte. Wenig später wurde Manning von Journalisten in der Kabine abgepasst.

Eine klare Ansage für den Rest der Saison fehlt ebenfalls. Vielleicht darf Manning noch ein Heimspiel bestreiten, um sich von den Fans zu verabschieden. Die Frage wird aber sein, ob er seine Karriere beendet oder mit 36 Jahren noch einmal wechselt - Bruder Peyton hatte das im selben Alter getan und danach noch einen Super Bowl gewonnen. New York jedenfalls dürfte Ende Dezember, wenn die reguläre Saison beendet ist, einen seiner größten Sportler verlieren.

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