Folgen des Booms:Meister-Preise

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Begehrte Dienstleistung: Wer, vor allem in den Großstädten, seine Wohnung streichen lassen will, hat schlechte Karten.

(Foto: Axel Heimken/dpa)

Viele Bauherren haben inzwischen Probleme, überhaupt noch einen Handwerker aufzutreiben. Die große Nachfrage treibt schon jetzt die Preise in die Höhe - aber das ist nicht der einzige Grund.

Von Christoph Dorner und Benedikt Müller

Es sollte eigentlich nur eine kleine Auftragsarbeit sein. In zwei Bädern seines Einfamilienhauses wollte Franz Schermer aus München neue Fliesen verlegen lassen. Schermer ist einer dieser Bauherrn, denen es nicht um Schnelligkeit, sondern um Qualität geht. Also fragte er die Nachbarn und bekam einen alteingesessenen Münchner Meisterbetrieb empfohlen. Als der nach vier Wochen und mehrmaligem Nachfragen Anfang August sein Angebot schickte, staunte Schermer nicht schlecht: 21 000 Euro wollten die Handwerker haben - für zehn Quadratmeter Fliesenlegearbeiten. Der Meisterbetrieb habe offenbar keine Lust auf seine zwei kleinen Bäder, dachte sich Schermer, der in Wirklichkeit anders heißt. Das machte ihn so wütend, dass er eine Mail an den Meister schrieb.

Wer momentan einen Handwerker für die eigenen vier Wände benötigt, sei es, um einen neuen Heizkessel im Einfamilienhaus zu installieren, Malerarbeiten in einer Eigentumswohnung machen zu lassen oder um einfach nur einen Parkettboden zu verlegen, ist vor allem in Großstädten in einer misslichen Lage. Die Auftragsbücher vieler Handwerksbetriebe sind seit Monaten derart voll, dass erst einmal gar nichts geht. Und so klagen denn auch viele Verbraucher: Bis der Handwerker kommt, dauere es zu lange. Die Betriebe, die früher zuverlässig waren, gingen schon gar nicht mehr ans Telefon. Und dann koste es zu viel. Doch stimmt das?

Die landläufige Meinung ist: Viele Handwerksbetriebe wollen sich für Kleinaufträge wie den von Franz Schermer nicht mehr die Hände schmutzig machen, weil sie gerade viel größere Räder drehen können. Der Bau- und Modernisierungsboom hat die Branche wählerisch gemacht. Die hat harte Zeiten hinter sich, mit einem Strukturwandel hin zu vielen selbstständigen Kleinunternehmen ohne Meisterbrief sowie ruinöse Preiskämpfe. Für die öffentliche Hand etwa will kaum noch jemand arbeiten, weil man zwangsläufig der Billigste sein muss, um das "wirtschaftlichste Angebot" abzugeben. Stattdessen balgen sich die Fachbetriebe um die Folgeaufträge, die durch die anziehende Baukonjunktur entstehen. In Deutschland werden wieder deutlich mehr Wohnungen, Ein- und Mehrfamilienhäuser gebaut. Und sie alle brauchen eine Heizung, ein Bad und einen Fußboden.

Auch die Wohnungsbauunternehmen berichten, dass die Suche nach Handwerkern schwieriger wird. "Da die Auftragsbücher beim Wohnungsbau vielerorts voll sind, finden gerade mittlere und kleinere Wohnungsunternehmen - darunter auch viele Wohnungsgenossenschaften - entweder keine oder häufig nur teure Handwerker-Angebote", sagt Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Dem Verband gehören die Vermieter von bundesweit etwa sechs Millionen Wohnungen an. Viele Baufirmen hätten in den vergangenen Jahren ihre Kapazitäten heruntergefahren und könnten sie nun nicht schnell genug aufstocken, sagt Gedaschko. Engpässe gebe es vor allem beim Innenausbau, zum Beispiel im Bereich Elektroinstallation, der durch den rasanten technischen Fortschritt und die Energiesparauflagen immer arbeitsintensiver geworden ist. Gleichzeitig leidet nicht nur dieses Gewerk unter dem Fachkräftemangel. Allein 30 000 Lehrstellen im Handwerk sind derzeit noch offen.

Die heutige Generation der Erben habe höhere Ansprüche, sagt der Chef einer Malerfirma

Dieses Strukturproblem gibt Franz-Xaver Peteranderl auch unumwunden zu. Der Präsident der Bayerischen Baugewerbeverbände moniert jedoch auch, dass die Verbraucher falsche Vorstellungen entwickelt hätten. "Man kann nicht erwarten, dass der Handwerker einen Tag nach der Auftragserteilung zu arbeiten beginnt." Das gleiche sagt auch Carl-Heiner Schmid, der von Reutlingen aus Deutschlands größten Malerbetrieb führt. "Ich stelle fest, dass wir es gerade mit einer Generation der Erben zu tun haben, deren Ansprüche gestiegen sind. Deshalb werden die Renovierungszyklen immer kürzer."

Schmid, ein schwäbischer Firmenpatriarch mit Hang zum Philosophischen, freut sich zwar auch über die vollen Auftragsbücher. Sie seien für seine Firma jedoch keine Verpflichtung zu mehr Schnelligkeit. Er empfiehlt Privatleuten, lieber etwas länger auf einen Handwerker zu warten und den Auftrag detailliert auszuhandeln, als am Ende mit der geleisteten Arbeit unzufrieden zu sein. Umgekehrt warnen die Verbraucherzentralen vor überhöhten Rechnungen. Wenn Handwerker merkten, dass der Kunde unsicher sei, bekäme er oft schlichtweg das teuerste Angebot.

Der Hausbesitzer Schermer fand das Angebot des Münchner Fliesenlegebetriebs derart überteuert, dass er von dem Meister eine Begründung verlangte. Der antwortete freundlich, dass die Arbeitsstunde eines gelernten Handwerkers aus einem Meisterbetrieb eben 50 bis 60 Euro koste, plus Mehrwertsteuer. Dem Kunden stehe es seit der Handwerksnovelle aber auch frei, einen ungelernten Anbieter für 25 Euro pro Stunde zu beschäftigen, ohne Mehrwertsteuer, so der Meister. Franz Schermer will nun erst einmal weitersuchen.

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