Föderalismusreform:Macht der Länder ist ungebrochen

Die Föderalismusreform hat ihr Ziel verfehlt, dem Bundestag mehr Spielraum zu geben. Die Zuständigkeiten von Bund und Ländern sind nicht deutlich getrennt.

R. Preuß

Die Föderalismusreform von 2006 hat ihr Ziel verfehlt, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern deutlich zu trennen. Dies geht aus Zahlen des Bundesrates hervor, die die Länderkammer für die Süddeutsche Zeitung erstellt hat. Demnach waren seit dem Start der Reform am 1. September 2006 etwa 41Prozent aller Gesetze im Bundesrat zustimmungspflichtig; seit Bildung der schwarz-gelben Bundesregierung musste die Länderkammer sogar in mehr als 53 Prozent der Fälle einverstanden sein, damit das jeweilige Gesetz in Kraft treten konnte.

Föderalismusreform; dpa

Diese jungen Demonstranten sehen die Föderalismusreform als gordischen Knoten, der nicht zu lösen ist.

(Foto: Foto: dpa)

Die damaligen Vorsitzenden der Föderalismuskommission, Franz Müntefering (SPD) und Edmund Stoiber (CSU), hatten als Zielmarke "35 bis maximal 40 Prozent" an zustimmungspflichtigen Gesetzen vorgegeben - was bereits als vorsichtige Vorgabe gedacht war. Denn ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages war kurz vor der Entscheidung über die Reform vor vier Jahren auf nur noch 25 Prozent gekommen, Stoiber hatte zu Beginn der Reformverhandlungen im Jahr 2003 sogar eine Senkung auf "20 bis 25 Prozent" gefordert.

Ein deutlich geringerer Anteil an Zustimmungsgesetzen war das Hauptziel der größten Verfassungsreform seit Gründung der Bundesrepublik. Die Neuordnung sollte die häufigen gegenseitigen Blockaden von Bundesregierung und Ländern im Bundesrat weitgehend unmöglich machen.

Die Zahlen gewinnen nun besonders wegen des Machtwechsels in Nordrhein-Westfalen an Bedeutung. Mit der Abwahl der Regierung Rüttgers verliert Schwarz-Gelb nur sieben Monate nach dem Wahlsieg die Mehrheit im Bundesrat. Schneller schaffte dies nur die rot-grüne Regierung Schröder, die bereits vier Monate nach ihrem Antritt durch die Wahl in Hessen 1999 ohne Mehrheit im Bundesrat dastand. Seither musste sich Schröder ständig auf Kompromisssuche mit Oppositionsparteien begeben. Die bisherige Oppositionsführerin in Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft (SPD), hat bereits angekündigt, dass sie Berliner Vorhaben wie Steuersenkungen und die Kopfpauschale im Gesundheitswesen verhindern wolle.

Vor der Föderalismusreform waren 53 Prozent der Bundesgesetze zustimmungspflichtig gewesen, in der letzten Wahlperiode vor der Neuordnung (2002 bis 2005) waren es fast 51 Prozent. Ein Gesetz muss immer dann von der Länderkammer gebilligt werden, wenn es in den Geltungsbereich der Länder eingreift oder die Länder Geld kostet. Die Verfassungsreform sollte dies ändern und gab Bund und Ländern getrennte Kompetenzen: Der Bund darf seitdem beispielsweise alleine über Atomenergie und die Terrorabwehr bestimmen, die Länder über Schulpolitik, Beamtenrecht und Ladenschluss. Den neuen Zahlen nach hat die Entflechtung jedoch nur ein Fünftel weniger Zustimmungsgesetze erbracht.

Edmund Stoiber verteidigt die Föderalismusreform dennoch als Erfolg. "Ich bin sehr zufrieden", sagte er der SZ. Auch 41 Prozent seien "zum jetzigen Zeitpunkt ein beachtlicher Erfolg". In der Reform stecke noch mehr Potential, "in den nächsten Jahren wird die angestrebte 40-Prozent-Marke geknackt", meint Stoiber optimistisch. Er habe damals eine stärkere Entflechtung gewollt. Immerhin sei die Reform überhaupt durchgesetzt worden. "Deutschland ist heute politisch weniger schwerfällig."

Selbst den umstrittenen Ausschluss des Bundes in der Schulpolitik hält Stoiber für richtig. Seit der Reform ist es dem Bund verboten, in der Schulpolitik, etwa bei der Förderung von Ganztagsschulen, mit Ländern oder Kommunen zusammenzuarbeiten. Durch die neuen Zuständigkeiten sei der "Schwund an Länderkompetenzen endlich gestoppt worden", sagte Stoiber.

Ganz anders sieht dies die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), die den Bund in der Föderalismuskommission vertrat. "Wir wollten deutlich weniger Zustimmungsgesetze haben, deshalb stellt sich Frage, ob die Reform wirklich geglückt ist", sagte sie. Wenn die Ziele im Bundesrat verfehlt würden, könne man auch die Gegenleistungen für die Länder, etwa in der Schulpolitik, nicht aufrechterhalten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: