Flugkatastrophe:150 Tote - Absturz schockiert Deutschland

Ein Airbus von Germanwings zerschellt in den französischen Alpen. Mindestens 67 Deutsche sind unter den Opfern.

Von Thomas Kirchner und Annette Zoch

Ein Airbus A320 der Billigfluglinie Germanwings ist am Dienstag auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorfnahe Digne-les-Bains in den französischen Alpen abgestürzt. 150 Menschen waren an Bord, sechs von ihnen Besatzungsmitglieder. Unter den Opfern sind 67 Deutsche, darunter eine Schülergruppe aus Haltern in Nordrhein-Westfalen. Auch viele Spanier sind unter den Toten. Nach Angaben der französischen Behörden gibt es keine Überlebenden. Es ist eines der schwersten Unglücke in der deutschen Luftfahrt seit Jahrzehnten.

Die Maschine mit der Flugnummer 4U9525 sollte in Barcelona um 9.35 Uhr starten, hob aber erst um 10.01 Uhr ab. Um 10.47 Uhr setzten die Fluglotsen in Aix-en-Provence laut Verkehrsstaatssekretär Alain Vidalies ein Alarmsignal ab, da sich die Maschine "in einer unnormalen Situation" befunden habe, im Sinkflug. Unklar war zunächst, ob die Crew selbst einen Notruf abgesetzt hat. Nach Angaben von Germanwings-Chef Thomas Winkelmann ist die Maschine nach dem Start zunächst auf 38 000 Fuß gestiegen, habe aber um 10.45 Uhr die Reiseflughöhe verlassen und in den folgenden acht Minuten sukzessive an Höhe verloren, bis sie zuletzt nur noch auf 6800 Fuß, etwa 2000 Metern, flog. Auch Augenzeugen am Boden berichteten der Zeitung La Provence, auf ein extrem niedrig fliegendes Flugzeug aufmerksam geworden zu sein. "Ich habe keinen Zweifel, dass das Flugzeug gegen eine Felswand geprallt ist", zitiert die Zeitung einen Bergsteiger.

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Laut dem Wetterdienst Météo France herrschte zum Zeitpunkt des Absturzes gutes Wetter und klare Sicht. Die Absturzstelle im Gebirgsmassiv Trois-Évêchés liegt auf etwa 1500 Metern Höhe in schwer zugänglichem Gebiet. Die Trümmerteile seien über eine Fläche von einem Hektar verteilt, teilte die Polizei mit. Die Bergung der Leichen werde Tage dauern. Sie sollen nach Seyne-les-Alpes gebracht werden, wo am Abend erste Angehörige erwartet wurden. Einer der Flugschreiber wurde bereits gefunden, sagte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve. Mit der Auswertung sollte noch am Dienstagabend begonnen werden.

Die Angehörigen der Opfer wurden an den Flughäfen Düsseldorf und Barcelona abgeschirmt und von Notfallseelsorgern betreut. Unter den Opfern sind auch 16 Schüler der zehnten Klasse eines Gymnasiums im nordrhein-westfälischen Haltern. Das bestätigte Schulministerin Sylvia Löhrmann. Die Jugendlichen seien auf dem Rückweg von einem Schüleraustausch in Llinars del Vallès nahe Barcelona zusammen mit zwei Lehrerinnen auf diesen Flug gebucht gewesen, sagte Bodo Klimpel, Bürgermeister der Stadt Haltern. Mit an Bord war nach Angaben des Daily Mirror auch die deutsche Opernsängerin Maria Radner gemeinsam mit ihrem Baby und ihrem Mann. Laut Germanwings befanden sich zwei Säuglinge in der Unglücksmaschine. Die Altistin Radner hatte im Gran Teatre del Liceu in Barcelona in Wagners "Siegfried" gesungen. Der Bassbariton Oleg Bryjak war in derselben Inszenierung aufgetreten und ist ebenfalls unter den Opfern.

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Frankreichs Präsident François Hollande sprach Kanzlerin Angela Merkel und Spaniens König Felipe sein Beileid aus. Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verkehrsminister Alexander Dobrindt trafen am Dienstagnachmittag, begleitet von französischen und spanischen Kollegen, am Unglücksort ein. "Vor Ort zeigt sich ein Bild des Grauens", sagte Steinmeier. Merkel und die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wollen am Mittwoch nach Frankreich fliegen. Präsident Hollande will Merkel und Spaniens Ministerpräsidenten Mariano Rajoy an die Absturzstelle begleiten.

Merkel äußerte sich erschüttert: "Meine Gedanken, meine Anteilnahme, auch die der ganzen Bundesregierung sind jetzt bei den Menschen, die so jäh ihr Leben verloren haben. Das Leiden ihrer Familien ist unermesslich." Bundespräsident Joachim Gauck brach seine Südamerika-Reise ab und kehrte nach Berlin zurück. Lufthansa-Chef Carsten Spohr sprach von einem "schwarzen Tag für die Lufthansa".

Die Bundesstelle für Fluguntersuchungen in Braunschweig stellte ein Team zusammen, das das Unglück an der Absturzstelle untersuchen soll. Der verunglückte A320 war 24 Jahre alt, er hatte 58 300 Flugstunden absolviert. Erst vergangene Woche war bekannt geworden, dass in der kompletten Airbus-Familie die Sensoren ausgetauscht wurden, nachdem es im November 2014 wegen einer Vereisung zu einem Beinahe-Absturz gekommen war.

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