Flughafen Tegel:"Finanziell abenteuerlich"

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Der Flughafen Tegel ist zwar veraltet, doch er ist sogar bei denen beliebt, die eigentlich unter dem Fluglärm leiden müssten. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Nach dem Votum der Berliner für Tegel will der Regierende Bürgermeister die Optionen ausloten.

Von Verena Mayer

Tausende Wohnungen, dazu Grünflächen, ein Technologiepark, und im alten Tower ein paar Clubs? Der Berliner Flughafen Tegel ist der Traum aller Stadtplaner. Ein alter Airport mit einem Gebäude, das auf der ganzen Welt für seine markante, sechseckige Architektur bekannt ist, dazu jede Menge Platz. Doch die Pläne für den Flughafen Tegel könnten ein Traum bleiben, zumindest wenn es nach der Berliner Bevölkerung geht. Die hat am Sonntag in einem Volksentscheid über die Zukunft ihres Innenstadtflughafens abgestimmt. 56,1 Prozent der Wähler wollen demnach, dass der Flughafen nicht, wie vorgesehen, geschlossen wird, sobald der Hauptstadtflughafen BER eines Tages seinen Betrieb aufnimmt. Sondern dass Tegel weiterhin als Flughafen genutzt wird, mit Tausenden Starts und Landungen in der Woche und mehr als 21,2 Millionen Fluggästen im Jahr.

Im Westen der Stadt war die Zustimmung besonders groß. Und das nicht nur unter den alteingesessenen Bewohnern, die den Flughafen noch erlebt haben, als Berlin Frontstadt war und Tegel ein Tor zur Freiheit. Sondern auch in jenen Bezirken, die eigentlich am meisten unter dem Flugverkehr leiden müssten. Im Bezirk Spandau, der stark von Fluglärm betroffen ist, wollen rund 57 Prozent den alten Flughafen behalten, in Reinickendorf, einem Bezirk mitten in der Einflugschneise, sind es sogar 64 Prozent. Nur in den beiden Bezirken Pankow und Lichtenberg im Osten sowie in Friedrichshain-Kreuzberg überwog die Zahl der Gegner.

Ministerpräsident Woidke hat sich festgelegt. Der BER soll der einzige Airport sein

Die Gründe dafür sind vielfältig. Die einen möchten ihren übersichtlichen Flughafen mit den kurzen Wegen nicht missen, die anderen fürchten, dass der Hauptstadtflughafen BER eines Tages zu klein sein könnte, um das wachsende Flugaufkommen einer touristischen Metropole zu bewältigen. Die Berliner FDP, die den Volksentscheid erzwungen hat, glaubt zudem, dass eine Großstadt wie Berlin mehrere Flughäfen brauche, nicht zuletzt, um die Zubringerautobahnen zu entlasten. Und, nicht zu vergessen: die Unsicherheit. Nach fünf Jahren Flughafen-Chaos und mehreren verstrichenen Eröffnungsterminen des BER will man in der Hauptstadt nicht noch den einzigen Flughafen verlieren, auf den man sich verlassen kann. Selbst wenn Tegel nur mehr in einer Art Notbetrieb läuft. Seit im Jahr 2004 festgelegt wurde, dass der Airport schließen muss, wurde hier nur noch das Nötigste gemacht.

Am Montag wurden nun in Berlin die Szenarien durchgespielt, wie man mit dem Votum der Bevölkerung umgehen will. Viele sind es nicht, denn das Ende von Tegel ist juristisch besiegelt, seit sich die Länder Berlin und Brandenburg und der Bund auf eine Planfeststellung geeinigt haben, die den Hauptstadtflughafen BER als einzigen Airport in der Region vorsieht. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), der sich zusammen mit der rot-rot-grünen Koalition für die Stilllegung Tegels stark gemacht hat, sagte, er werde keine persönlichen Konsequenzen aus der Abstimmung ziehen. Müller kündigte an, bald mit allen Beteiligten der Flughafengesellschaft FBB reden zu wollen. Um auszuloten, inwiefern sie "bereit sind, ihre Position der letzten 20 Jahre zu verändern und einen neuen Weg zu gehen", der allerdings "juristisch und finanziell abenteuerlich" sei. Die Bereitschaft dazu hält sich in Grenzen, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat angekündigt, am Hauptstadtflughafen BER als einzigem Airport festzuhalten. Woidke wies auf die Investitionen rund um den geplanten Flughafen in Schönefeld hin und auf die Rechtsunsicherheit, die sich ergeben könnte, wenn man die Zusagen nicht einhielte.

An die politischen Zusagen erinnern indes auch die Bürgerinitiativen, die dafür kämpfen, dass Tegel wie geplant geschlossen wird. Viele Anwohner haben sich Wohnungen oder Häuser gekauft, als feststand, dass die Tage des Verkehrsflughafens besiegelt sind. Und nicht zuletzt die Beuth-Hochschule für Technik wartet darauf, eines Tages ins Terminal A ziehen zu können, das zentrale Abfertigungsgebäude, zusammen mit 2500 Studierenden. Die Vorplanungen für den Umbau sind der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zufolge abgeschlossen.

Und was bedeutet die Abstimmung konkret für die Berliner Stadtplanung? Erst einmal nicht viel, der Volksentscheid ist rechtlich nicht bindend, da ihm kein Gesetzesentwurf zugrunde liegt, sondern nur eine Aufforderung an den Berliner Senat, etwas dafür zu tun, dass in Tegel weiterhin Flugzeuge starten und landen dürfen. Am Ende werden die Berliner vielleicht sogar damit leben können. So wie beim Flughafen Tempelhof. Als der 2008 dicht gemacht werden sollte, gab es ebenfalls eine Abstimmung gegen die Schließung. Der Volksentscheid scheiterte, heute ist der ehemalige Flugplatz das Naherholungsgebiet Tempelhofer Feld, das kaum jemand mehr missen möchte.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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