Flughafen:Berlin stimmt über Tegel ab

Flughafen: Tegel ist veraltet und hat schon seit 2004 keine Betriebsgenehmigung mehr.

Tegel ist veraltet und hat schon seit 2004 keine Betriebsgenehmigung mehr.

(Foto: Axel Schmidt/AFP)

Der Flughafen Tegel hätte längst geschlossen sein sollen, nun haben die Berliner aber über den Weiterbetrieb abgestimmt.

Von Verena Mayer, Berlin

Sobald es in Berlin um Flughäfen geht, wird es kompliziert. Der eine Flughafen, Tegel, ist vollkommen veraltet, sollte längst geschlossen sein und funktioniert nur noch notdürftig. Der andere Flughafen, der neue BER, wird einfach nicht fertig: Im Jahr sechs seiner Nicht-Eröffnung gibt es noch nicht einmal ein verbindliches Datum, wann dort Maschinen starten und landen sollen. Vielleicht im Herbst 2019, vielleicht aber auch nicht, die Termine haben inzwischen etwas von Orakelsprüchen, und bislang hat sich kein einziger davon erfüllt. Um alles noch komplizierter zu machen, waren die Berliner am Sonntag - parallel zur Bundestagswahl - aufgerufen, in einem Volksentscheid über den Flughafen Tegel abzustimmen: Ob Tegel auch dann weiter in Betrieb bleiben solle, wenn der BER eines Tages fertig ist. Tegel also als Zweitflughafen, gewissermaßen.

Der ersten Prognose am Sonntagabend zufolge, die auf zehn Prozent der ausgezählten Stimmen beruhte, sprach sich eine Mehrheit von 59 Prozent der stimmberechtigten Berliner für Tegel aus. 39 Prozent stimmten dagegen. Die Tegel-Fans kommen aus den unterschiedlichsten Lagern. Da ist einmal die Berliner FDP, die sich zum "Tegelretter" ernannt und den Volksentscheid erzwungen hat. Da sind Unternehmen wie die Fluglinie Ryanair und der Autovermieter Sixt, die offensiv für Tegel geworben haben. Und da sind etliche Berliner Bürgerinitiativen, die den Flughafen erhalten wollen, weil er so schön übersichtlich ist und so Innenstadt-nah. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) etwa gehört zu den Tegel-Fans; nicht zu vergessen sind auch die vor allem im Berliner Westen beheimateten Nostalgiker, die wollen, dass alles bleibt, wie es ist. Mit einer Mehrheit für Tegel könnte es in der Hauptstadt dann erst so richtig kompliziert werden.

Zwar ist das Votum nicht bindend, dem Volksentscheid liegt kein konkreter Gesetzesentwurf zugrunde, sondern nur eine Art Appell: Der Berliner Senat wird aufgefordert, "die Schließungsabsichten aufzugeben und alle Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind, um den unbefristeten Fortbetrieb des Flughafens Tegel als Verkehrsflughafen zu sichern". Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat aber angekündigt, dass er jedes Ergebnis des Volksentscheids ernst nehmen werde.

Ernst nehmen heißt in diesem Fall: Optionen prüfen lassen. Und das kann dauern. Denn juristisch ist das Ende des Flughafen Tegel seit Langem besiegelt. Das Planfeststellungsverfahren sieht vor, dass der Airport spätestens sechs Monate, nachdem der BER in Betrieb geht, still gelegt wird. Berlin entscheidet zudem nicht alleine. An der Flughafengesellschaft sind auch der Bund und das Land Brandenburg beteiligt, beide wollen nur einen Flughafen, den BER. Dazu kommt, dass Tegel schon seit dem Jahr 2004 keine Betriebsgenehmigung mehr hat, sondern nur mehr eine Art Gnadenfrist. Würde der Flughafen offen bleiben, müsste er von Grund auf saniert und der Lärmschutz an die aktuellen Gesetze angepasst werden. All das aufdröseln zu wollen, wäre "abenteuerlich", sagt Berlins Regierender Bürgermeister Müller.

Zumal auch die Zukunftspläne für den alten Flughafen und sein charakteristisches sechseckiges Gebäude schon festgezurrt sind: Eine Hochschule und ein Technologiepark sollen in Tegel entstehen, dazu mehrere tausend Wohnungen, die in der Hauptstadt derzeit dringend benötigt werden. Von den Kosten ganz zu schweigen: Auf geschätzt 1,1 Milliarden Euro dürfte sich allein die Sanierung des maroden Flughafens belaufen - wegen der geplanten Schließung wurde über Jahre nur noch das Nötigste repariert und ausgebessert.

Und so wird es jetzt wohl erst einmal eine Schlacht der Juristen geben. Ein verfassungsrechtliches Gutachten des rot-rot-grünen Senats hält alle bestehenden Beschlüsse für rechtlich bindend und den Weiterbetrieb von Tegel "nach Maßstäben der praktischen Vernunft für ausgeschlossen". Ein von der Berliner FDP in Auftrag gegebenes Gegengutachten kommt zu dem Schluss, dass es durchaus möglich wäre, aus den Verträgen auszusteigen, auf der die gemeinsame Landesplanung beruht. Für die Berliner dürfte indessen auch weiterhin alles so bleiben, wie es ist: Der eine Flughafen ist veraltet und funktioniert nur mehr notdürftig, und der andere wird einfach nicht fertig.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: