Fluggastdaten:Auf dem Weg in die totale Überwachung

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Bundesinnenminister Schäuble und EU-Kommissar Frattini halten es für eine gute Idee, Daten von Flugpassagieren 13 Jahre lang zu speichern. Dass das der Sicherheit dienen würde, ist unbewiesen.

Thorsten Denkler, Berlin

Terroristen haben einen entscheidenden Nachteil: Keiner sieht ihnen an, welch ein tödliches Handwerk sie verrichten. Im schlimmsten Fall sind sie glattrasiert, in einem westlichen Staat geboren, gehen dort einer geregelten Arbeit nach und haben keine Nachnamen, die mit al, bin oder el, beginnt. Wenn bekannt wäre, wer sie sind, sie könnten kaum unbeobachtet das Land verlassen, schon gar nicht mit dem Flugzeug.

Totalüberwachung ohne Erfolgsnachweis: Passagiere am Flughafen Köln/Bonn. Foto: dpa (Foto: Foto: dpa)

Jetzt will nach den USA auch die Europäische Union 19 verschiedene Daten über jeden Fluggast sammeln und für 13 Jahre speichern. In einem Entwurf von EU-Kommissar Frattini geht es dabei nicht nur um Name, Adresse und Telefonnummer des Fluggastes. Gesammelt werden soll auch die Kreditkartennummer, der Sitzplatz, die Anzahl der aufgegebenen Gepäckstücke und die E-Mail-Adresse. Das sind Daten, die helfen sollen Verdächtige herauszufischen aus dem Millionenheer von Fluggästen. Ob es hilft? Das weiß niemand.

Dabei haben die USA schon etwas Erfahrung damit. Seit 2007 gibt es ein Abkommen über den Austausch von Fluggastdaten. Aber keinen Beleg für die Wirksamkeit. Dennoch will Frattini das Abkommen offenbar eins zu eins auf die Europäische Union übertragen.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hält das für eine gar nicht so schlechte Idee. Er kann Bedenken etwa seiner Kabinettskollegin Justizministerin Brigitte Zypries nicht teilen. Schließlich habe sich ja auch der Protest gegen das Abkommen mit den USA in Grenzen gehalten. Schäuble übersieht dabei: Die USA hätten ohne die Daten über kurz oder lang den transatlantischen Passagierflugverkehr drastisch eingeschränkt. Die Drohung hat gewirkt.

Ob die Daten aber geholfen haben, Terroristen dingfest zu machen, ist nicht bekannt. Statt aber Belege für die Sinnhaftigkeit der Speicherung zu liefern, haben die Vereinigten Staaten jüngst noch einen draufgelegt:

1. Ergänzend zum Abkommen von 2007 sollen bewaffnete Sky Marshals an Bord jeder Maschine Richtung USA sein.

2. Der umfangreiche Datensatz zu jedem Passagier soll auch dann an die US-Behörden übermittelt werden, wenn die USA nur überflogen werden.

3. Es sollen auch Informationen über Personen mitgeliefert werden, die den Fluggast nur bis zum Flugzeug begleiten, wie es zuweilen bei gebrechlichen Menschen vorkommt.

Dass die EU diesen erweiterten Forderungskatalog der US-Amerikaner nicht unterstützt, ist gut. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hier nur um Details einer Regelung geht, die schon im Ansatz falsch ist. Statt die Freiheitsrechte zu schützen, gilt: Je mehr wir über unsere Bürger wissen, desto besser können wir Anschläge verhindern.

Selbst wenn das stimmt: In letzter Konsequenz bedeutet das die totale Überwachung. Abgesehen davon, dass das Bundesverfassungsgericht dies sicher nicht zulassen würde: Den vollkommen gläsernen Passagier wird auch der nicht wollen, der heute sagt: Wer sich nichts hat zuschulden kommen lassen, der hat auch nichts zu befürchten.

Dennoch gibt es eine Erklärung für den Vorstoß Frattinis: In Italien wird am Sonntag gewählt. Frattini gehört der Forza Italia an, der rechtspopulistischen Privatpartei von Silvio Berlusconi. Sollte Berlusconi wie zu erwarten die Wahl gewinnen, will Frattini Innenminister werden.

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