Streit über Flüchtlingspolitik:Sicherheitsrisiko Seehofer

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Bundesinnenminister Horst Seehofer riskiert mit seinem Verhalten eine Koalitionskrise. (Foto: REUTERS)

Mit seiner sturen Haltung in der Asylfrage heizt der Innenminister nicht nur die Stimmung gegen Schutzsuchende an und verprellt Deutschlands Nachbarländer. Er bringt die gesamte Bundesregierung in Gefahr.

Kommentar von Ferdos Forudastan

Wo er richtig liegt, da liegt er richtig, der Bundesinnenminister: Er habe eine Verantwortung für dieses Land, sagt Horst Seehofer. Nur leider wird er dieser Verantwortung gerade gar nicht gerecht. Schlimmer, er missachtet sie.

Indem der CSU-Politiker darauf beharrt, dass anderswo in Europa registrierte Flüchtlinge künftig schon an der Grenze zurückgewiesen werden, will er nicht nur viele Asylsuchende daran hindern, hier Zuflucht zu finden. Seehofer heizt nicht nur die Stimmung gegen Schutzsuchende an, indem er jene Bürger bestärkt, die meinen, Deutschland breche unter der Last der Flüchtlinge schier zusammen. Der Innenminister minimiert nicht nur die ohnehin ziemlich kleinen Chancen für eine europäische Einigung über das Asylrecht.

Sondern Seehofer riskiert auch, dass der Krach zwischen ihm und der Bundeskanzlerin, zwischen seiner CSU und Teilen ihrer CDU auf der einen und den restlichen Christdemokraten auf der anderen Seite die Koalition in eine immer tiefere Krise treibt - so tief, dass es irgendwann zum ganz großen Knall kommen könnte.

Anders als Seehofer und die Seinen insinuieren, gibt es nach Auffassung einiger Experten sehr wohl Fälle bereits registrierter Flüchtlinge, deren Antrag auf Schutz Deutschland zu prüfen hat. Diese Prüfung kann natürlich nur stattfinden, wenn man die Menschen nicht gleich an der Grenze zurückweist. Das Vorhaben des CSU-Politikers würde aber auch europäische Nachbarländer belasten, in die er viele Asylsuchende gleich wieder zurückschicken möchte.

Das ist ein Grund dafür, dass Angela Merkel ihren Bundesinnenminister daran gehindert hat, am Dienstag seinen sogenannten Masterplan vorzustellen. Der Kanzlerin ist nämlich sehr bewusst, dass man diese EU-Staaten so gewiss nicht für eine gemeinsame europäische Asylpolitik gewinnen könnte.

Der Innenminister bringt die ganze Regierung in Gefahr

Mag sein, dass Seehofers Vorstöße der CSU im bayerischen Landtagswahlkampf dabei helfen, der AfD ein paar potenzielle Wähler abspenstig zu machen. Gut möglich, dass Seehofers Sturheit ihm im innerparteilichen Wettbewerb mit Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt einen zeitweiligen Vorsprung verschafft. Denkbar, dass der Streit mit der Bundeskanzlerin dem Innenminister zunehmend Sympathien bei den mehr oder weniger heimlichen Merkel-Kritikern in der CDU einträgt.

Der Preis für all das ist freilich hoch - und zwar auch aus Sicht der CSU selbst. Bleibt sie bei ihrer harten Linie, zieht sie in der Flüchtlingspolitik gar immer mehr Christdemokraten auf ihre Seite, dann bringt das Angela Merkel nicht einfach nur in eine ungemütliche Situation.

Der symbolisch stark aufgeladene Konflikt um den richtigen Weg in Sachen Asyl könnte die Bundeskanzlerin irgendwann vor die Wahl stellen: Entweder sie legt eine totale Kehrtwende in der Flüchtlingsfrage hin, verschafft damit all ihren Gegnern Genugtuung und regiert geschwächt weiter; oder sie räumt zwar nicht ihre Position in der Sache, aber dafür ihren Stuhl. Das wäre nicht nur ihr Ende als Kanzlerin, sondern höchstwahrscheinlich auch der Auftakt zu Neuwahlen.

Schwer vorstellbar, dass die Christsozialen und die Merkel-Kritiker unter den Christdemokraten das derzeit wollen - schon deswegen, weil es gut sein könnte, dass davon vor allem die AfD profitieren würde.

© SZ vom 13.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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