Flüchtlingspolitik:CDU-Spitze liest Merkel-Kritikern die Leviten

Flüchtlingspolitik: "Erziehungsberechtigt": CDU-Chefin Angela Merkel mit Parteivize Julia Klöckner

"Erziehungsberechtigt": CDU-Chefin Angela Merkel mit Parteivize Julia Klöckner

(Foto: AP)
  • Hinter verschlossenen Türen zeigt sich die CDU-Spitze verärgert über Bundestagsabgeordnete, die in der Flüchtlingsdebatte einen Brief an die Kanzlerin geschrieben hatten.
  • Besonders viel Kritik muss CDU-Wirtschaftspolitiker Linnemann einstecken. Er hatte sich öffentlich zur offenbar miesen Stimmung bei einer CDU-Vorstandssitzung geäußert.

Von Stefan Braun, Berlin

Julia Klöckner ist um deutliche Worte selten verlegen. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU redet gerne und viel, sie zeigt sich in zahlreichen Talkshows, sie mag und möchte öffentliche Auftritte. Immerhin will sie Mitte März Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz werden.

Am Montag indes wählte sie nicht die offene Bühne. Sie nutzte eine Sitzung hinter verschlossenen Türen. Diesmal wollte sie kein Loblied auf die CDU singen, sondern den Kritikern in den eigenen Reihen die Leviten lesen. Zu garstig ist mittlerweile das Erscheinungsbild der Christdemokraten in der Flüchtlingskrise, und zu gefährlich wird das für die Landtagswahlen.

Also sagte Klöckner in der Sitzung des CDU-Bundesvorstands, die Querschüsse aus den eigenen Reihen müssten endlich aufhören. Bei der CSU könne man da leider wenig machen, für die Christsozialen sei die CDU nicht "erziehungsberechtigt". Anders liege der Fall aber bei jenen Bundestagsabgeordneten, die jüngst recht öffentlichkeitswirksam einen Brief an die Kanzlerin geschrieben hatten.

Gemeint war damit nicht nur aber vor allem Carsten Linnemann, der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung. Und den, man muss das so sagen, hat der Fraktionschef Volker Kauder seit einiger Zeit auf dem Kieker. Linnemann ist jung, Linnemann ist ziemlich selbstbewusst. Und Linnemann gehört zu denen, die in der CDU schon seit Längerem den Kurs in der Flüchtlingspolitik kritisieren. Immer wieder kommen sie mit Vorschlägen, die den Zuzug begrenzen sollen. Grenzkontrollen sind da noch das Mindeste.

Zu allem Überfluss aber hat Linnemann nicht nur fein ziselierte Briefe geschrieben. Er hat vor wenigen Tagen, als sich der CDU-Vorstand nach den Vorkommnissen von Köln in Mainz getroffen hatte, erklärt, die Stimmung sei "unterirdisch" gewesen. "Das hat die meisten endgültig verärgert", erzählt einer, der seit Langem mit dabei ist.

Kein Mitleid für Linnemann

Wie groß der Brass ist, zeigte sich am Montag an Kauder. Er ging Linnemann ziemlich direkt an. So etwas mache man nicht, schimpfte Kauder. Und Briefe an die Kanzlerin schreibe man auch nicht. Zumal man sich jede Woche in Berlin in der Fraktion begegne. Im Übrigen sei Linnemann doch Wirtschaftspolitiker. Also möge er bitte in der Wirtschaftspolitik von sich Reden machen. Hier nämlich höre man von ihm ziemlich wenig.

Wie Teilnehmer berichten, versuchte sich Linnemann in einer Verteidigungsrede. So soll er erklärt haben, dass es in einer Volkspartei doch mehrere Meinungen geben müsse - und dass man mit wirtschaftspolitischen Themen nur schwer öffentlich durchdringe. Auf Mitleid konnte er allerdings nicht hoffen.

So sagte Kanzlerin Angela Merkel, man könne an Mikrofonen auch wortlos vorbeigehen. Ihr gelinge das seit Jahren, obwohl nach EU-Gipfeln stets alle wissen wollten, wie es intern gewesen sei. Wenn sie das schaffe, dann müsse das doch auch anderen möglich sein. "Das war Politik für Anfänger", erklärte hinterher einer der Parteivizes. Er klang dabei alles andere als unzufrieden. Was auch daran gelegen haben dürfte, dass Linnemanns sonst so laute Mitstreiter in dieser Sitzung plötzlich sehr leise wurden.

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