Flüchtlings-Statistik:Mammutaufgabe

Lageso im ICC Berlin

Erwachsene Flüchtlinge müssen oft nicht so lange auf die Bearbeitung ihrer Papiere warten wie Jugendliche.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Behörden sind für mehr junge Migranten zuständig. Doch diese und andere Zahlen sind nur bedingt belastbar.

Von Constanze von Bullion und Jan Bielicki, Berlin

Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen, die Jugendämter 2015 in Obhut nahmen, waren unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts vervierfachte sich die Zahl der Inobhutnahmen von allein eingereisten Minderjährigen gegenüber 2014 auf 42 309. 91 Prozent von ihnen waren Jungen, nur etwa 3600 Mädchen.

Junge Flüchtlinge müssen oft viel länger auf die Bearbeitung ihrer Papiere warten als Erwachsene. Nur 53 Prozent der 2015 eingereisten unbegleiteten Minderjährigen haben einen Asylantrag gestellt, berichten die Statistiker unter Berufung auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Hauptgrund dafür seien Engpässe bei Behörden. Dafür wurden 2015 drei Prozent weniger junge Flüchtlinge als 2014 in Obhut genommen, weil sie durch Schul- oder Drogenprobleme auffielen oder ihre Eltern überfordert waren.

Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) betonte, die Zahlen des Bundesstatistiker seien nur bedingt belastbar. Da junge Flüchtlinge oft nicht in den zugewiesenen Einrichtungen blieben oder sich auf die Suche nach Verwandten machten, komme es häufig zu Mehrfachregistrierungen und mehrfacher Inobhutnahme. Nach Bestandszahlen der Kinder- und Jugendhilfe aus dem Bundesverwaltungsamt seien die Einreisezahlen unbegleiteter Minderjähriger zuletzt erheblich zurückgegangen.

Immer mehr Flüchtlinge aus Syrien werden auf den Nachzug von Angehörigen jahrelang warten müssen. Seit ein paar Monaten steigt der Anteil der Syrer rapide, denen das Bamf nur sogenannten subsidiären Schutz zugesteht. Im Mai erhielt fast die Hälfte der persönlich angehörten Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland diesen eingeschränkten Schutzstatus, wie aus einer Antwort des Bundesregierung auf eine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke hervorgeht. Laut diesen Zahlen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, hatten sich noch im Februar nur 15 von 1290 angehörten Syrern mit subsidiärem Schutz begnügen müssen. Er hat zur Folge, dass diese Flüchtlinge mindestens zwei Jahre warten müssen, bis ihre engsten Familienangehörigen nach Deutschland nachziehen dürfen. Dieser umstrittenen Regel hatte die SPD im Winter auch unter Hinweis auf die geringen Zahlen der davon betroffenen Menschen zugestimmt. Das Bamf begründet den Anstieg damit, dass bei nun angehörten Flüchtlingen aus Syrien "vermehrt ein Bürgerkriegsschicksal, aber kein individuelles Verfolgungsschicksal" vorliege. Die "massive Benachteiligung" syrischer Flüchtlinge sei "zu Abschreckungszwecken gewollt", kritisierte dagegen die Linke Jelpke und nannte die Entscheidungspraxis des Bamf "humanitär unerträglich".

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